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Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
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heißt nicht, dass Frauen Selbstironie auch außerhalb von Hugh Grant mögen, dachte ich und brachte immer noch kein Wort raus, als endlich Rettung kam. Mein BlackBerry piepte. Ich nahm ihn raus, um zu sehen, wer mir eine Mail geschickt hatte. Spam. Wieder mal hatte ich in der Lotterie der Vereinten Nationen gewonnen. Eigentlich brauchte ich eh keinen BlackBerry. Ich war von vier bis sieben Uhr in der Bank, warum sollte ich da mobil erreichbar sein?
    Sie stand einfach nur da. Versuchte, den heißen Kaffee möglichst schnell auszutrinken, und während ich ihr dabei zusah, fühlte ich mich so gut wie lange nicht mehr. In ihrem Blick lag so eine ruhige Kraft, dass mein Herz für einen Moment langsamer schlug. Mein Magen beschwerte sich nicht mal mehr über das Schinkenspeck-Sandwich und den Donut. Mit diesem gelassenen Blick saß sie sicher auch Verlegern und Agenten bei den knallharten Verhandlungsgesprächen gegenüber, die sie hierhergeführt hatten. Bald danach trank sie den letzten Schluck, bedankte sich nicht und ging Richtung Ausgang.
    »Falls du noch ein bisschen hier bist, könnte ich dir die Stadt zeigen. Die Sehenswürdigkeiten«, rief ich ihr hinterher, obwohl kaum jemand als Stadtführer ungeeigneter wäre als ich. Ich war noch nicht mal auf dem Sears Tower gewesen. Hatte meinen Aufenthalt hier immer als rein beruflich angesehen.
    Sie blieb stehen, drehte sich aber nur halb zu mir um. »Ich habe keine Zeit«, sagte sie.
    »Ich weiß. Viele Termine.«
    »Ja.«
    »Verhandlungsgespräche in der Verlagsbranche?« Sie schwieg.
    »Dann ruf ich dich morgen mal an«, sagte ich. »Wie ist deine Nummer?«
    »Mein Handy funktioniert in Amerika nicht.« »Wo wohnst du?«
    »Im Kloster Zur siegreichen Jungfrau Maria.« Nun war es endgültig klar, sie wollte nichts mit mir zu tun haben. Auf der anderen Seite konnte ich mich nach all den blamablen Sätzen kaum noch mehr zum Affen machen. Also nahm ich meinen BlackBerry, steckte ihn in ihre Manteltasche, und bevor sie reagieren konnte, sagte ich Tschüss und verließ das Cafe. Schaffte es sogar, mich nicht nach ihr umzudrehen.
    HENRY
    Das Schloss verriegelte mit einem leisen Klick die WC-Tür, und ich kam mir vor wie der hysterischste Mensch der ganzen Stadt.
    Ich hatte ihn gesehen, war ihm ins Caribou gefolgt, doch dann hatte ich mich nicht getraut, ihn anzusprechen und mich hier versteckt. Viel zu schockiert war ich davon, dass sich mein Wunsch so schnell erfüllt hatte, erschrocken von dieser Vorzugsbehandlung des Schicksals. Meine Inspiration war zum Greifen nahe gewesen, doch ich hatte nicht zugegriffen.
    Ich schloss die Augen und kippte mit dem Körper so weit nach vorn, bis meine Stirn den kühlen, unverputzten Beton berührte. So stand ich da, wie lange, weiß ich nicht. Schließlich setzte ich durch eine unachtsame Bewegung den Händetrockner in Gang, dessen infernalisch lautes Fönen mir so etwas zu sagen schien wie blöööd.
    Das WC war sehr geräumig, wahrscheinlich die Behindertentoilette, dachte ich; dann lief ich auf und ab, wie auf der LaSalle Street, vom Händetrockner zum hochgeklappten Wickeltisch, zum Händetrockner zurück und versuchte, nicht in den Spiegel über dem Waschbecken zu sehen.
    Ich sehnte mich nach einer antioxidierenden Maske von Enrique, nach den freundlich gebrüllten Anweisungen von Val Swanthaler, »Kick, zwo, drei, vier und kick!«, hätte am liebsten gar nichts mehr von der Welt gesehen, nicht diese behindertengerechte Toilette und schon gar nicht den Aufkleber mit dem feisten Grinsebaby neben dem Wickeltisch.
    Etwas später sah ich meinem Spiegelbild dabei zu, wie es dem Spiegelbild des Estana-Hotel-&-Spa-Stylisten sagte, er möge meine Haare färben. Tönen, wie man sagt. Alte Leute werden so vorsichtig mit Sprache, weil die Wirklichkeit immer schwerer auszuhalten ist. Als er mich fragte, welchen Farbton ich wollte, sagte ich in einem Anflug von Trotz oder vielleicht sogar Würde: »Grau.« Der Stylist lächelte.
    »Das ist lustig.«
    »Nein, das ist mein Ernst«, sagte ich. Er sah mich an wie jemand, der beim Kauen eines Kirschkuchenstücks plötzlich auf einen Kern gebissen hat. Ich schwieg. Es war ja alles gesagt. Als er mir schließlich, etwas irritiert herumdrucksend, eine Reihe von Farbtönen zeigte und ich mich für victorian gray entschieden hatte, sagte er:
    »Ich kenne Sie von irgendwoher.«
    »Und jetzt wissen Sie nicht, ob aus der Zeitung oder aus dem Fernsehen?«, antwortete ich.
    »Sie sind«, sagte er, mein

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