Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das War Ich Nicht

Das War Ich Nicht

Titel: Das War Ich Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristof Magnusson
Vom Netzwerk:
es mit den vier Weinflaschen ganz genau nahm, die ich auch noch aus der Küche mitgenommen hatte, war es sogar Einbruchdiebstahl. Ich machte kehrt, stieg die Treppe wieder hinauf, betrat erneut die Wohnung und nahm den Korkenzieher mit. Die Briefe ließ ich liegen.
    An der ersten roten Ampel auf der Fruchtallee entkorkte ich eine Flasche, nahm allerdings nur kleine Schlucke, bis ich die Stadt verlassen hatte und auf der Autobahn war. Ab jetzt ging es nur noch geradeaus. Am Eidersperrwerk hielt ich an und setzte mich auf eine Bank unter einem Bitte-die-Möwen-nicht-füttern-Schild. Die Möwe, die versuchte, ein Brötchen aus dem Mülleimer neben der Bank zu fischen, ließ sich durch mich nicht stören, noch nicht einmal, als ich ein Exemplar der Kieler Nachrichten aus dem Eimer zog. Ich las die Horoskopseite, las das für Wassermann und dann das für Zwillinge - erst Arthurs, dann meines, weil ich das immer so gemacht hatte. Liebe ist ein hartnäckiges System, wie Gier oder Durst, dachte ich, schmiss die Weinflasche in den Müll und verfehlte die Möwe dabei knapp. Sie flog auf, schlug drei Mal mit den Flügeln, dann trug der Wind sie fort, nach Westen, dorthin, wo der Himmel noch blau war, während im Osten, über der Eider, schon Dunkelheit aufstieg.
    In Tetenstedt blieb ich im Auto sitzen, ließ den Motor laufen und sah mein Haus an. Natürlich nieselte es.
    Dann betrat ich mein Haus, ohne in den Briefkasten gesehen zu haben. Abgesehen davon, bemühte ich mich, meine Ankunft mit denselben Automatismen ablaufen zu lassen, die ich in meinen ersten Tagen herausgebildet hatte: Haustür aufschließen, Schuhe aus, ins Wohnzimmer gehen, Anlage anschalten, Tasche aufs Sofa schmeißen, Wasser kochen, den Becher mit löslichem Kaffee füllen, Aschenbecher aus der Spüle nehmen, Kaffee aufgießen, Milch war keine mehr da, Kaffeetasse, Aschenbecher und Zigaretten im Wohnzimmer abstellen, die Wiedergabetaste drücken, hinsetzen, genau in dem Moment die Zigarette anzünden, in der die Musik beginnt, einen Schluck nehmen und aus dem Wohnzimmerfenster sehen. In die stille, leise, leere, unbewegte, unbelebte, tote, ausgestorbene, unwirtlich-öde, nichtige, betrübte, monotone, reizlose, gleichförmige, eintönige, langweilige, lautlose, freudlose, trostlose, wüste, dunkle Welt.
    Ich holte den BlackBerry aus meiner Tasche und versuchte, ihn anzuschalten, doch die Batterie war leer. Dann nahm ich mein deutsches Handy aus der Handtasche, das in Chicago nicht funktioniert hatte. Es vibrierte, als ich es anschaltete, auf der Anzeige erschienen zwei Hände, die ineinandergriffen. Immerhin war eine Nachricht auf der Mailbox. Während ich eine Verbindung mit ihr herstellte, überlegte ich, wer es sein konnte. Arthur? Henry, der die Nummer von Thorsten Fricke bekommen hatte und sich entschuldigen wollte?
    »Hallo, Meike«, sagte weder Arthur noch Thorsten Fricke, noch Henry LaMarck. »Hier ist Lars. Wir müssen uns doch keine Sorgen machen um dich?«
    Ich legte mich aufs Sofa, schlief sofort ein und träumte, ich müsste in einer zirkusartigen Arena gegen einen Hasen kämpfen. Henry LaMarck war der Ringrichter. Ich konnte mich nicht auf den Kampf konzentrieren, da ich dauernd ins Publikum schaute, um zu sehen, ob Arthur, Regine oder Lars dort waren, doch als der Hase gerade im Begriff war, mich k. o. zu schlagen, klingelte es, erst nur im Ring, dann schrillte es durch die ganze Arena.
    Ich fuhr hoch. Das Klingeln war an meiner Tür.
    JASPER
    »Nach Frankfurt?«, fragte die Frau am Schalter.
    »Ja«, sagte ich. Während sie meine Bordkarte ausdruckte, bemühte ich mich, einen normalen Eindruck zu machen. Falls die Polizei nach mir suchte. Was natürlich Blödsinn war. Warum sollte sie? Rutherford & Gold würde einfach meine Positionen glattstellen. Mit einem Verlust von ein paar Hundert Millionen Dollar. Man soll ja nicht Peanuts sagen, aber im Grunde genommen war es das.
    Sie würden wütend auf mich sein, sehr wütend. Umso zufriedener war ich, dass ich rechtzeitig den Absprung geschafft hatte. Alex verlor vielleicht seinen Job, aber an die Öffentlichkeit würden sie damit niemals gehen. Viel zu groß wäre die Rufschädigung, der Vertrauensverlust bei den Kunden.
    Bei der Sicherheitskontrolle schmiss ich meine persönlichen Gegenstände in eine graue Plastikwanne. Ging, ohne Handy, ohne Gürtel, ohne Jackett und ohne Geld, durch den Metalldetektor und fühlte ich mich plötzlich frei. Ich betrat eine neue Welt, ging ihr mit weit

Weitere Kostenlose Bücher