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Das waren schöne Zeiten

Das waren schöne Zeiten

Titel: Das waren schöne Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott
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Pfund, befindet sich heute noch in der Kirche von Waimate.
    Musik war damals die einzige Ausrüstung meiner Mutter, die sie zur Bewältigung der Aufgabe, ihre kleine Familie wenigstens teilweise zu ernähren, besaß. Das bedeutete, daß wir Kinder zum großen Teil der Beaufsichtigung unserer alten Hausangestellten Sarah anvertraut waren. Ich fürchte, wir waren ungewöhnlich unartige Kinder, und Sarah war vermutlich nur bei uns geblieben, weil sie sehr liebevoll an meiner Mutter hing. Wir besaßen ein Pony namens Chips, und wenn Mutter nicht damit unterwegs war, ritten wir auf ihm überall hin, selbstverständlich im Herrensitz und immer ohne Sattel. Meiner Schwester, die damals zehn war, gelang es einmal, früh aufzustehen, Chips heimlich von seiner Weide zu holen und die Eisenbahnschienen entlang bis nach Awatoto zu reiten, wo sie gestoppt wurde, glücklicherweise nicht von einem Zug. Sie konnte nie erklären, warum sie das getan hatte, außer >weil es eine so prima Straße zum Reiten war<. Doch die Kommentare des Eisenbahnbeamten, der sie nach Hause schickte, waren um so unmißverständlicher.
    Wie die Dinge lagen, genossen wir tatsächlich viel mehr Freiheit als es zu jener Zeit üblich war. Meine Mutter hat mir später erzählt, daß ihr nie ganz wohl war, wenn Besucher sie baten, ihnen doch die lieben kleinen Mädchen vorzuführen.
    »Wenn ich dann Sarah schickte, euch zu holen, blamierte sie mich jedes Mal damit, daß sie zurückkam und bedauernd sagte: >Ich sehe sie schon, Mum, aber ich kann sie nicht einfangen. Ganz oben auf den Bäumen, wie immer!<.«
    Es hat nie idealere Bäume zum Klettern für kleine Mädchen gegeben, als die in diesem Garten. Wir waren Experten darin, uns in peinlichen Augenblicken in die Sicherheit ihrer Kronen zurückzuziehen.
    Manchmal revoltierte selbst Sarah gegen unsere Wildheit und drohte, uns zu verlassen. Gelegentlich zahlte sie uns auch unsere Streiche heim. Einmal zum Beispiel erwischte sie mich, wie ich an einem großen Klumpen Waschsoda leckte, den ich gestohlen hatte. »Jetzt ist es aus mit dir«, verkündete sie mit entschuldbarer Befriedigung. »Das ist Gift, jawohl, das ist es. Du wirst ziemlich schnell daran sterben.« Ich habe niemals das Entsetzen dieses Moments vergessen. Dennoch war ich entschlossen, mein Leben mit Würde zu beenden, weshalb ich sagte: »Ich bin Jephtahs Tochter, die allein hinausgeht in die Berge.« Damit zog ich mich auf Mr. Colensos Weiden zurück, erbrach mich fürchterlich und überlebte triumphierend.
    Wir verfügten über beachtliche Bibelkenntnisse, wie es den Enkeltöchtern des Bischofs zustand, aber unser Benehmen machte unserem Großvater wenig Ehre, obgleich er stets tolerant und nachsichtig mit uns war. Er war, in der Tat, tolerant gegen jedermann, gleichgültig welchem Glaubensbekenntnis er anhing. Sein Haushalt war dafür der beste Beweis. Während all der Jahre, die er in Napier lebte, bestand das Personal des bischöflichen Haushaltes aus zwei römisch-katholischen Schwestern und Gustave, Kutscher und Gärtner zugleich und außerdem glühender Anhänger der Heilsarmee. Sie lebten alle in absoluter Harmonie miteinander und hingen in Treue und Liebe an meinem Großvater und seiner unverheirateten Tochter Annie.
    Die Geschichte Gustaves und seines Auftauchens in diesem Lande könnte direkt aus einem Roman stammen. Mein Großvater fand ihn hoffnungslos verirrt im Busch, irgendwo zwischen Opotiki und Gisborne. Der Bischof und seine Tochter befanden sich auf einer ihrer seelsorgerischen Besuchsreisen, selbstverständlich zu Pferd, und waren meilenweit von jeder menschlichen Behausung entfernt, als sie den Ton einer Klarinette von irgendwoher aus dem Gebüsch hörten. Sie gingen dem Ton nach und fanden einen finnischen Matrosen im letzten Stadium der Erschöpfung. Er konnte nur ein paar Worte Englisch, aber sie begriffen doch ungefähr, daß er von seinem Schiff desertiert war und versucht hatte, von Gisborne aus seinen Weg durch das Landesinnere zu machen. Die kaum vernehmbaren Töne seiner Klarinette waren sein letzter, verzweifelter Versuch gewesen, Hilfe herbeizurufen.
    Mein Großvater brachte mit viel Mühe und Anstrengung den Matrosen bis zum nächsten Siedler und sorgte dafür, daß er dort eine Mahlzeit und ein Bett bekam. Mit dem für ihn selbstverständlichen Vertrauen in die menschliche Anständigkeit gab er dem Matrosen fünf Pfund und versprach ihm Arbeit und Unterkommen, wenn er sich innerhalb einer Woche bei ihm in Napier

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