Das waren schöne Zeiten
schämte, sich keinerlei Gewissen daraus gemacht zu haben, als er mich dort schlicht sitzen ließ. Wie auch immer, keiner von uns machte sich irgendwelche Gedanken darüber, und mein Gastgeber verhielt sich ebenfalls so, daß in mir auch nicht das geringste Unbehagen aufkommen konnte. Nie war ein Gast höflicher und freundlicher behandelt worden. Es gab drei Hütten mit jeweils einem Raum. In der einen schlief ich, in einer aßen wir, und die dritte war sein Schlafzimmer. Er zeigte mir, wo ich in einem verborgenen Bach baden konnte, und erklärte mir, daß er leider dringende Geschäfte in einiger Entfernung zu erledigen hätte. Am Abend aßen wir zusammen, und ich hörte ihm bis tief in die Nächte hinein zu, wenn er ein aufregendes Erlebnis nach dem anderen aus seinem abenteuerlichen Leben zum besten gab.
Es war eine unschuldige kleine Idylle, die am letzten Morgen allerdings ein wenig erschüttert wurde. Meine Männer waren noch nicht wieder aufgetaucht; statt dessen war aber das Motorboot mit einer großen Picknickgesellschaft an Bord früh am Morgen eingetroffen, und ich schreckte aus dem Schlaf hoch, als drei Männner in meine Hütte einbrachen. Sie zogen sich hastig und unter gemurmelten Entschuldigungen zurück, doch ich hörte noch, wie einer von ihnen draußen sagte: »Du meine Güte, sich vorzustellen, daß Old T. nun doch noch geheiratet hat!« ... Ich muß gestehen, daß ich einigen Mut aufbringen mußte, dieser Versammlung von Unbekannten gegenüberzutreten und zu erklären, daß ich keineswegs die Braut, sondern nur ein Gast war.
Während unseres Aufenthaltes auf Stewart Island erhielt Edward die Nachricht, daß das Geologische Vermessungsamt in West-Australien seine Bewerbung um eine Position dort positiv beantwortet hatte. Es bedeutete das Ende einer sehr herzlichen und engen Verbindung, aber ich war dennoch dankbar für die ihm gebotene Möglichkeit, ein neues Leben zu beginnen.
Von Stewart Island gingen wir nach Queenstown, wo wir alle drei die >Remarkables< bestiegen. Ich bin immer noch ein bißchen stolz darauf, daß die Zeitungen mich als >die erste Frau, welche diesen Gipfel bezwang< feierten. In Wirklichkeit hatte ich wenig mit der >Bezwingung< zu tun; unser Erfolg war ausschließlich der Erfahrung meines Bruders und seines Freundes zu verdanken, die genau wußten, wie die Besteigung anzupacken war.
Edward fuhr im Februar nach Perth, und im März heiratete meine Schwester David Scott, mit dem sie sich in Gisborne niederließ. Meine Mutter begann immer mehr unter Arthritis zu leiden. Trotz ihrer unglaublichen Tapferkeit war sie gezwungen, sich in das Leben einer Halbinvaliden zu schicken. Auch meine Gesundheit ließ gerade damals zu wünschen übrig, weshalb es nur vernünftig erschien, meine Lehrtätigkeit aufzugeben und mit Mutter zusammenzuleben. So endete meine schöne Zeit in Thames, und wieder einmal nahm ich mit Bedauern Abschied.
Bevor sich entschied, wo ich mit Mutter leben würde, besuchte ich Tim in Gisborne, und dort, wie ich schon erzählte, lernte ich Davids Bruder kennen. Damit begann ein völlig neues Kapitel meines Lebens, das diesmal sehr lang werden sollte.
»Und ein gutes«, versicherten wir uns gegenseitig, als ich die >Story meines Lebens< beendete.
Ehe im Busch
Es war zwei Tage später, als das langersehnte Pferdefuhrwerk mit unserem gesamten irdischen Besitz langsam die Einfahrt zu unserem Haus heraufkam. Inzwischen waren wir zu der Erkenntnis gelangt, daß selbst der beste hausgemachte Schinken monoton wird, wenn man ihn dreimal am Tag zu essen bekommt. Unser letztes altbackenes Brot war längst aufgegessen, doch Walter hatte die Situation ein klein wenig verbessert, indem er dort vorkommende Disteln am Rande des Busches pflückte, die von den Maoris Puha genannt werden und aus denen sich ein hervorragender Spinat zubereiten läßt. Trotzdem waren wir bereits so weit, daß wir das Gefühl hatten, nie mehr einem Schwein ins Gesicht sehen zu können, als eine kleine, stille Frau an unserer Türschwelle erschien, in der Hand einen mit einer Serviette bedeckten Teller.
Ein gieriger sechster Sinn sagte mir, daß diese schneeweiße Serviette Scones bedeckte, und ich mußte mich fürchterlich beherrschen, nicht einfach gewaltsam darüber herzufallen. Sie stellte sich schüchtern als unsere einzige nahe Nachbarin vor, die Frau des Farmers, dem das Haus mit dem großen eisernen Kamin gehörte, und sie fragte verlegen, ob sie uns wohl ein paar frische Scones
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