Das waren schöne Zeiten
jenseits unserer Farm, die Briefe auszutragen. Immer mehr Farmen im Oparau-Tal waren inzwischen bewohnt, weshalb eine regelmäßige Postverteilung unumgänglich wurde. Für unseren Teil hatten wir den unsicheren Postempfang und die verspäteten Zeitungen immer als besonders ärgerlich empfunden. Man sagte uns, daß das Postamt bereit sei, einen Antrag auf regelmäßige Briefzustellung in unserem Bezirk zu genehmigen, aber bislang hatten sich keine Bewerber gemeldet, die bereit waren, diese Arbeit zu übernehmen.
Tim und ich erklärten uns sofort bereit, sie zu übernehmen. Warum auch nicht? Wir mußten ohnehin mindestens einmal in der Woche hinunterreiten, um unsere eigene Post zu holen. Warum sollten wir nicht auch noch die von anderen Leuten mitnehmen und dafür bezahlt werden? Ich weiß nicht mehr, was wir dafür bekamen, aber es war wenig genug; wahrscheinlich gerade ausreichend, die Pferde beschlagen zu lassen und noch ein bißchen Taschengeld dazu. Trotzdem, da es lediglich bedeutete, zweimal statt einmal hinunterzureiten, übernahmen wir es und wechselten uns dabei ab.
Johnny war inzwischen schon nicht mehr da. Laden und Postamt wurden von einer außerordentlich tüchtigen Frau übernommen, die uns ein ebenso guter Freund wurde, wie Johnny es gewesen war, nur ein zuverlässigerer. Sie fand es großartig von uns, daß wir die Post austrugen, und unsere wöchentlichen Zusammenkünfte waren für uns alle ein Vergnügen. Unser Briefträger-Job war allerdings nicht leicht, weder für die Pferde noch für uns. Hin- und Rückweg zusammengerechnet ergaben eine Strecke von zwanzig Meilen auf steinigen, steilen, gefährlichen Straßen. Nur wenn wir Vorräte einkauften, nahmen wir die Kutsche, sonst wurde geritten. Das war mit der schweren Tasche um unseren Hals sehr ermüdend, und natürlich mußte der Ritt bei jedem Wetter unternommen werden.
Im Winter war es verflixt mühselig. Oft waren wir bis auf die Haut naß, noch ehe wir Oparau erreichten. Dann kam erst der langsame, anstrengende Ritt den Berg hinauf, wo zu Beginn noch beinahe jede erste Meile angehalten und die Post abgegeben werden mußte. Von da ab kamen lange, einsame Strecken, wo nur in weiten Abständen Häuser standen. Wie herrlich war es dann, nach Hause zu kommen, endlich die schwere Ledertasche los zu sein, das Pferd zuzudecken und zu füttern, und dann endlich selbst die Beine vor einem prasselnden Kaminfeuer auszustrecken. Nun hatten wir regelmäßig unsere Briefe und Postsendungen, und das war uns die Mühe wert.
Eine phantastische Begegnung aus dieser Zeit ist mir immer noch in Erinnerung. Ich ritt Minx, das ruhigste und zuverlässigste Pony, das man sich vorstellen kann, als es plötzlich aus unersichtlichem Grund heftig scheute, in den Farn am Straßenrand sprang und dort zitternd stehenblieb. Eine Sekunde später bogen mehrere seltsame Fahrzeuge um die Ecke: drei oder vier von Pferden gezogene Karren, wovon in zweien große Käfige untergebracht waren, aus denen ein unterdrücktes Knurren drang. Dahinter folgten ein oder zwei Wohnwagen und danach eine Anzahl kleiner Ponys und Affen. Ich glaubte zu träumen! Hier, mitten im Busch, konnte ich doch unmöglich einem Zirkus begegnen!
Aber das Pony wußte sehr genau, daß es kein Traum war. Der Wind hatte ihm die Witterung der wilden Tiere zugetragen, noch ehe die Karawane um die Kurve bog. So tief verwurzelt war die instinktive Furcht vor wilden Tieren, daß ich meine liebe Not hatte, es zu beruhigen und davon abzuhalten, über den nächsten Zaun zu springen. Ich wollte den Reiter am Ende dieses phantastischen Zuges anhalten und fragen, was in aller Welt sie hier wollten? Aber Minx war um keinen Preis wieder auf die Straße zurückzulocken. Also blieb mir nichts weiter übrig, als die Wagen vorbeizulassen, betrübt darüber, daß ich nun nie das Geheimnis lüften und sicherlich lediglich zu hören bekommne würde, daß ich das Opfer meiner Einbildungskraft sei.
So war es allerdings nicht. Als ich zurückkam, fand ich den ganzen Zirkus auf der Koppel vor unserem Haus. Mein Pony war so verstört, daß ich absteigen und es an den Käfigen mit den ziemlich hungrigen Löwen vorbeiführen mußte. Ich erfuhr, daß der Zirkus von Kawhia gekommen und auf dem Wege nach Waikato gewesen war, aber unterwegs entschieden hatte, für diese Nacht eine Rast einzulegen. Die Straße war steil, die Pferde müde und die Löwen hungrig. Würde mein Mann wohl so nett sein und ihnen ein altes Schaf recht billig
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