Das waren schöne Zeiten
konnte uns nur unter den denkbar schwierigsten Umständen erreichen. Es gab keinen Leichenbestatter im Distrikt, und der Sarg wurde von einem der ansässigen Ladenbesitzer angefertigt. Meine Schwester und ich begleiteten ihn nach Hamilton, im strömenden Regen auf einem offenen Lastwagen sitzend. Die Straßen waren eine einzige klebrige Masse von Schlamm. Der Fahrer, jung und unerfahren, verlor die Nerven und versuchte über Otorohanga zu fahren, wobei er sich hoffnungslos verirrte. Es lag auf der Hand, daß wir Frankton niemals mehr rechtzeitig erreichen würden, um den Zug zu erwischen, für den bereits alles arrangiert worden war. Trotz der Anstrengungen des Fahrers verspäteten wir uns um zehn Minuten. Als wir am Bahnhof eintrafen, naß und frierend, und meine Schwester krank, erwarteten uns dort Frau Dr. de la Mare und ihr Mann, den wir inzwischen ebenfalls gut kannten, weil er bei seinen zahlreichen Fahrten nach Kawhia meist bei uns zu übernachten pflegte. Unglaublicherweise war es ihnen gelungen, den Zug zehn Minuten zurückzuhalten. Damals erkannte ich klar, ebenso wie es mir heute bewußt ist, daß unser Leben in der Wildnis manchmal einfach unerträglich gewesen wäre, hätten wir nicht Freunde wie diese gehabt.
Archidiakonus MacMurray, ein alter Freund, leitete das Begräbnis. Nur ein paar sehr nahe Freunde wußten vom Tod meiner Mutter und kamen, um uns beizustehen. Wir kehrten in ein Haus zurück, das uns nun leer und verlassen schien; doch es war mir ein großer Trost zu wissen, daß meine Mutter noch eine halbe Stunde vor ihrem Tod fähig war, mit Walter zu scherzen. »Wie wäre es mit einer Tasse Tee?« hatte Walter sie gefragt. »Gute Idee«, nickte sie, und fügte im verschwörerischen Ton hinzu: »Aber du machst ihn, nicht wahr? Unsere liebe Mary ist zwar überzeugt, daß sie den besten Tee macht, aber wir beide wissen es besser.« So blieb sie bis zuletzt ihrem fröhlichen, tapferen Selbst treu.
Meine Cousine Marguerita Mulgan ließ ihre Familie allein, um uns zu helfen, als Mutter krank war. Sie übernahm es, die Kinder zu versorgen und war, wie immer, ein unfehlbarer Freund in der Not. Kurioserweise empfing ich den meisten Trost von meinem Baby, mehr sogar als von den größeren Kindern, obwohl diese ihre Großmutter bitterlich vermißten. Das schien mir ganz und gar unnatürlich zu sein, bis mir einfiel, daß Mutter mir einmal die gleiche Geschichte erzählt hatte vom Tod meines Vaters, als ich selbst erst zwei Jahre gewesen war. Das kleine, hilflose Wesen war für uns alle ein großer Trost.
Nach Mutters Tod war Strathallan nie mehr, was es für mich gewesen war. Doch es sollten noch drei Jahre vergehen, ehe wir wegzogen. Vorher noch hatte sich die ältere von unseren beiden Mädchen mit einem Nachbarn verlobt. Die Hochzeit wurde in unserem Haus gefeiert. Es war wirklich ein rauschendes Fest, denn der Bräutigam hatte seine Gefühle durch die Bestellung einer riesigen Menge der verschiedensten alkoholischen Getränke ausgedrückt. Jeder Siedler, Maori und Pakeha nahmen an dem Fest teil.
Uns schien über allem eine Art verzweifelter Fröhlichkeit zu liegen, weil — wenn es auch unsere Freunde nicht wußten wir uns darüber klar waren, daß es das letzte Fest in dem Haus sein würde, das wir erbaut und geliebt hatten. Die Umstände erwiesen sich als zu schwierig. Inzwischen stand unumstößlich fest, daß die Farm, belastet mit einer derart hohen Hypothek, niemals rentabel gemacht werden konnte. Und unsere Rechtsanwälte hatten keine Mühe gescheut, die ursprüngliche Besitzerin der Ländereien zu überreden, sie herunterzusetzen. Aber sie war alt und eigensinnig und hatte übertriebene Vorstellungen über den Wert des Landes, weshalb sie sich weigerte. Unser Ultimatum war schließlich: Eine herabgesetzte Hypothek — oder wir gehen! Viele Siedler handelten damals wie wir. Sie blieb unzugänglich, und obwohl sie am Ende schwere Verluste zu tragen hatte, war sie überzeugt, wir hätten unfair gegen sie gehandelt.
Also beschlossen wir, zu gehen. Am bedauerlichsten dabei war für uns, daß meine Schwester und ihr Mann unsere Nachbarn waren. Es machte mich traurig, wenn ich an all die glücklichen Stunden dachte, die wir in diesem Haus erlebt hatten, und an die Jahre harter Arbeit, welche Walter an dieses schwer zu bearbeitende Land gewandt hatte. Doch die Stunde war gekommen, wo wir aufhören mußten, einen hoffnungslosen Kampf zu kämpfen, und es war an der Zeit, von Neuem zu
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