Das waren schöne Zeiten
»Weit können sie Delilah nicht gebracht haben; sobald sie einmal festgestellt haben, wie das mit ihr ist, werden sie nur zu froh gewesen sein, wieder heil herauszukommen.«
Aber sie war nirgendwo in Frankton aufzustöbern, weshalb wir dort übernachten mußten. Natürlich informierten wir die Polizei, und am Ende machte ich mir doch Sorgen, wie wir nach Hause kommen sollten. Doch hinter diesen Sorgen verbarg sich ein heimlicher Stolz, daß jemand Delilah so gerne besitzen wollte, daß er sie stahl.
Es war Frederick de la Mare, der die Situation rettete, so wie er uns zu verschiedenen Zeiten in unserem Leben aus mannigfachen Klemmen geholfen hatte. Er und sein Sohn machten sich am nächsten Tag mit dem Fahrrad auf die Suche nach Delilah und fanden sie endlich zehn Meilen entfernt in einer Sackstraße abgestellt. Der Benzintank war leer, dafür war der Rücksitz mit leeren Bierflaschen gefüllt, und der Boden mit Fischgräten und weggeworfenen Chips bestreut. Ihre Entführer waren nicht sehr kultiviert gewesen.
Immerhin blieb es dabei, daß jemand sie gewollt hatte, und ich konnte es mir nicht versagen, mich manchmal damit zu brüsten. Da wir ohnehin noch einen Tag in der Stadt verbringen mußten, besuchten wir unsere Tochter noch einmal im Krankenhaus. »Aber ich dachte, ihr seid gestern noch nach Hause gefahren!« rief sie überrascht aus.
»Das wollten wir auch, konnten aber nicht. Man hat Delilah gestohlen.«
Statt den gehörigen Kummer zu zeigen, legte sie sich in ihrem Bett zurück und flüsterte entgeistert: » Gestohlen... Um Himmelswillen, bringt mich nicht zum Lachen! Denkt an meine Naht.«
Die Ferien waren immer ein fröhlicher Tumult. Da gab es massenhaft Pferde zu reiten, einen improvisierten Tennisplatz, den Ngutunui-Fluß zum Schwimmen, und da war auch noch meine Schwester, die nur darauf wartete, >die Kinder< in ihrem Haus willkommen zu heißen. Walter arbeitete immer noch zuviel und zu schwer; doch nun, da ihm sein Sohn dabei half, war er nicht mehr so allein. Das gleiche galt für mich, weil meine älteste Tochter inzwischen meine Haushaltspflichten übernommen hatte, um mir mehr Zeit zum Schreiben zu geben. Die beiden Jüngeren fühlten sich wohl in ihren Internaten, wenn sie das auch nicht immer auf die richtige Weise zum Ausdruck brachten.
Natürlich war die Zeit der Trennungen noch nicht vorbei; wenn sich die Ferien ihrem Ende näherten, wurde jeder ein wenig stiller, die Schule wurde möglichst nicht erwähnt, die Kinder wurden hilfsbereiter und die Erwachsenen nachsichtiger. Der letzte Tag war immer schlimm. Da gab es tränenreiche Abschiede von geliebten Ponys, einen letzten Ritt zum Fluß hinunter, Lämmchen, die ernsthaft Mutters Fürsorge anvertraut wurden. Dann kam die unvermeidliche Hetze, wenn die Internatsuniformen in Ordnung gebracht wurden, ein letzter Besuch bei Tim und schließlich heimliche Tränen im Bett.
Am Abschiedsmorgen benahm sich jedermann betont munter und zuversichtlich, und alle Gespräche drehten sich um die nächsten Ferien. Doch wenn ich dann die Kinder wieder sicher in der Schule abgeliefert hatte, wo sie aufgeregt mit ihren Freunden bereits die jüngsten Ferienerlebnisse austauschten — dann kam für mich die einsame Heimfahrt, das leere Haus, die trauernden Tiere und Walter, der sich bemühte, fröhlich zu sein, und laut verkündete: »Die Zeit wird im Nu um sein.«
In dieser Zeit schrieb ich sehr viel. Durch einen unwahrscheinlichen Glücksfall war eine meiner Kurzgeschichten vom Manchester Guardian , wie die Zeitung damals hieß, angenommen worden. Ich selbst hätte nie gewagt, eine solche Auszeichnung anzustreben, oder auch nur davon geträumt, daß jemals etwas, das ich schrieb, in diesem Blatt erscheinen könnte. Aber Helen Bell las zufällig eine Kurzgeschichte, die ich >Elizabeth geht zur Schule< betitelt hatte — zum größten Teil unseren eigenen Erlebnissen nachempfunden — und, da ich sie noch keiner Zeitschrift angeboten hatte, schickte sie sie heimlich an Alan Monkhouse, den Redakteur für die Literaturbeilage des Guardian , mit dem sie befreundet war. Kurze Zeit später erhielt ich zu meiner immensen Überraschung einen Brief von ihm, in welchem er mir seine freundliche Anerkennung für die Kurzgeschichte ausdrückte und dem drei Guineas beilagen, einschließlich der entschuldigenden Bemerkung: >Ich fürchte, wir bezahlen nicht sehr gut...< Drei Guineas waren in meinen Augen eine enorme Summe; jedoch noch aufregender war der Vorschlag,
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