Das waren schöne Zeiten
da war; aber er sorgte dafür, daß dies nicht oft vorkam und wenn, niemals sehr lange. Ich machte ihm deswegen oft bittere Vorwürfe, besonders wenn Old F. uns besuchen kam, was dieser mit ärgerlicher Regelmäßigkeit tat. Walter pflegte dann unglaublich freundlich und unterhaltsam zu sein — für eine halbe Stunde; dann mußte er leider gehen. Und er machte sich nicht einmal die Mühe, weit zu gehen! Hätte Old F. ein besseres Gehör oder eine sensiblere Seele gehabt, würde ihn vermutlich das Geräusch des Holzspaltens hinter dem Haus beleidigt haben. Doch er schien niemals bemerkt zu haben, wohin sein Gastgeber verschwand und fuhr gewissenhaft fort, >mal vorbeizusehen<.
Ich habe Walter immer um seine Fähigkeit, sich innerlich vollkommen abschließen zu können, beneidet. Er besaß die Gabe, sich mitten im größten Tumult zu konzentrieren und konnte restlos ungestört lesen, während sich um ihn herum die turbulentesten Szenen abspielten. Einer unserer konstanten Gäste bemerkte einmal nach Walters Tod zu mir, daß er, wenn er an Walter denke, immer ein bestimmtes Bild vor Augen habe: ein völlig entspannter Mann, vertieft in ein Buch; um ihn herum, von ihm unbemerkt, die Wogen eines temperamentvollen Familienlebens. Das war, wie ich ihm oft zu sagen pflegte, eines der Vorrechte des Hausherrn, und eines, das er voll in Anspruch nahm.
Doch ganz davon abgesehen, gab es noch einen zusätzlichen und sehr traurigen Grund für seine Abgeschlossenheit: Taubheit, ein Leiden, das in seiner Familie lag, hatte angefangen, auch meinen Mann zu befallen, und wurde nach und nach immer schlimmer. Es schnitt ihn von vielen Dingen ab, die ihm Freude gemacht hatten; denn er war ein Mann, der seinen Mitmenschen zugeneigt war, und ihre Gesellschaft in Grenzen genoß. Aus dieser Gemeinschaft zog er sich nach und nach, ohne zu klagen, immer mehr zurück. Das war ein harter Verzicht für ihn und ein bleibender Kummer für mich, denn sein Geist war von natürlicher Lebhaftigkeit, und sein Sinn für Humor stark ausgeprägt. Nur wer mit einem Menschen gelebt hat, der dazu geschaffen war, ein Plus für jede Gesellschaft zu sein, und hilflos zusehen muß, wie er immer weniger und weniger an der allgemeinen Unterhaltung teilnimmt, kann verstehen, wie traurig das ist.
Die Kinder werden erwachsen
Ohne Stuarts Hilfe wurde natürlich die Arbeit auf der Farm wieder belastender, obwohl wir nun teilweise Arbeitskräfte einstellten. Walter fühlte sich durch den sichtlichen Aufschwung der Farm und die besseren Preise sehr ermutigt. Die Zukunft sah verhältnismäßig gesichert aus.
So gesichert, wie jede Zukunft im Jahre 1938 aussehen konnte. Selbstverständlich warteten wir, wie die ganze Welt, voller Angst auf die Entwicklung der politischen Situation. Wie alle, empfanden wir Scham über das, was sich in München ereignete. Nicht einmal meinem Mann gestand ich meine erste, spontane Reaktion ein: eine mit Schuldgefühlen vermischte Erleichterung. Wenigstens sind nun die jungen Männer überall auf der Welt noch für eine Weile in Sicherheit, sagte ich mir und versuchte, nicht an die Tschechoslowakei zu denken. Wir taten unser Bestes, uns mit Arbeit zu betäuben. Ich versuchte wieder auf der Farm zu helfen, aber viel kam dabei nicht heraus, weil ich nun dauernd mit Schreiben beschäftigt war und die Pflichten der Haushaltführung viel Zeit in Anspruch nahmen.
Das Leben wäre für mich wesentlich leichter gewesen, hätten wir Elektrizität gehabt. Doch das sollte noch lange dauern. Wenn eine Farm keinen Stromanschluß hat, kann man sich heutzutage mit einer Stromerzeugungsanlage behelfen und ist damit vom öffentlichen Stromnetz unabhängig. 1938 hatten wir noch nicht einmal an so etwas gedacht, und sicherlich hätten wir uns eine solche Anschaffung nicht leisten können. Ich plagte mich immer noch mit einem Kochherd ab, der nur mit Holz und Kohlen in Betrieb gehalten werden konnte, behalf mich mit Kerzen und Petroleumlampen und gab die Hoffnung nicht auf, daß die Stromleitung, die inzwischen schon bis auf wenige Meilen herangerückt war, schließlich auch unser Haus erreichen würde.
Das war vergebliches Hoffen, denn erst einige Zeit nach Kriegsende sollten wir Elektrizität im Haus haben. Ihr Fehlen erschwerte meine Arbeit um vieles. Von allen Nachteilen unseres Lebens in der Abgeschiedenheit des Busches war es die schlechte Beleuchtung, was mich am meisten irritierte. Sooft ich aus der Stadt heimkehrte, begann ich wieder unter
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