Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
sie hörte gar nicht zu.
»Nicht hier, wo alle uns sehen können«, flüsterte sie und drückte die Handtasche an sich.
Wortlos erhob er sich und steuerte den Aufzug an. Beth trippelte hinter ihm her.
Sie waren allein im Fahrstuhl, doch Beth warf auf der Suche nach Überwachungskameras einen Blick nach oben. Dann griff sie in die Tasche, zog den USB-Stick heraus, ließ ihn in seine Jackentasche gleiten und drückte auf den siebten Stock. Bis sie den Aufzug mit dem sorgfältig eingepackten Gemälde unter dem Arm verließ, sagte sie kein Wort. Perkins fuhr weiternach oben, stieg aus, wartete eine halbe Minute und fuhr dann mit dem gegenüberliegenden Fahrstuhl wieder nach unten.
Als er das Hotel verließ, blickte er sich suchend nach ihr um, aber sie war nirgends zu sehen.
Zwei Stunden lang sichtete er das Material bei sich zu Hause. Er war beeindruckt. Bestimmt hatte die Polizei von Virginia seit ihrer Gründung 1618 noch keine so schnelle, tatkräftige und effiziente Mitarbeiterin wie Beth Hartley gehabt. Sie hatte wirklich alles besorgt.
Er lehnte sich in dem alten Sessel zurück, die Kippe im Mundwinkel. Was, wenn Curtis die Wahrheit sagte?
Kein Zweifel, der Mann war ultrakonservativ, vielleicht sogar reaktionär, aber das an sich war noch kein Verbrechen. Ja, er riss das Maul auf, aber das taten doch viele, ohne dass Taten folgten.
T. Perkins nickte gedankenverloren vor sich hin. Es war ein ganz einfaches Experiment: Von nun an würde er sich dazu zwingen, Bud Curtis’ Zeugenaussage zu hundert Prozent für bare Münze zu nehmen. Mal sehen, wohin ihn das führen würde.
Er zündete sich noch eine Zigarette an und sah den Rauchwolken nach.
Während des Verfahrens hatte Staatsanwalt Mortimer Deloitte betont, der Mord an der Ehefrau eines Präsidenten sei automatisch als ein missglückter Mord am Präsidenten zu interpretieren, und die Planung dieses Mordes habe sicher schon begonnen, als sich der blutjunge Bud Curtis bei einer rechtsradikalen Wahlkampfkampagne engagiert hatte. Curtis hatte dagegengehalten, er habe sich damals nur deshalb eingebracht, weil er Doggies Mutter erobern wollte. T. fand das gar nicht so unwahrscheinlich. So etwas könnte doch jedem passieren, wenn er nur verliebt genug war.
Später etablierte Curtis mit großem Erfolg eine Hotelketteund stellte nach einigen Jahren den leicht zurückgebliebenen Toby O’Neill ein. Er hatte seine Macht über den Jungen genossen und damit gespielt. Ja, er hatte ihn womöglich wirklich dazu gebracht, bei einem feuchtfröhlichen Pokerabend Speichel vom Boden aufzulecken. Ziemlich ekelhaft, fand T., aber das war auch alles. Die Verteidigung hatte angeführt, die Idee, O’Neill das Gemälde enthüllen zu lassen, sei nicht von Curtis gewesen, sondern von einem Agenten des Secret Service, der einen falschen Namen angegeben hatte und nach dem Mord spurlos verschwunden war.
Ja, es stimme, Bud Curtis habe sich häufig äußerst negativ über Jansen ausgelassen. Doch wer ihn näher kenne, wisse, dass Curtis aufbrausend sei, aber nichts als heiße Luft dahinterstecke. Und wer hatte nicht irgendeine Zielscheibe, auf die sich Abneigung und Wut richteten? Deswegen war man noch lange kein Mörder.
Dann war da noch die Überweisung, die Bud Curtis auf O’Neills Konto getätigt haben sollte. Diese schier unglaubliche Transaktion sprach nach T.s Empfinden eher für Curtis’ Unschuld als für seine Schuld. Schließlich war der Mann Multimillionär und hätte dem Idioten das Geld in einem Umschlag in bar zustecken können. Aber vielleicht war genau das Curtis’ Taktik gewesen? Dass ein so ungeschicktes Manöver als entlastender Beweis angeführt werden würde? Und dann war der Schuss nach hinten losgegangen?
Aber das waren nichts als Spekulationen. So, wie T. ihn es einschätzte, war Curtis kein Mann, der unnötige Risiken einging. Irgendetwas stimmte da nicht. T. war sich sicher, dass das Geld von jemand anderem überwiesen worden war. Selbst Willie, der computeraffine jüngste Mitarbeiter in Perkins’ Büro, könnte sich jederzeit die nötigen Daten und Zugänge verschaffen, um eine solche Überweisung zu tätigen. Dass Geld von A nach B überwiesen wurde, sagte noch lange nichts darüber aus, wer das Geld von A nach B überwiesen hatte.
Wenn man Bud Curtis glaubte, dann mussten andere Toby O’Neill manipuliert und womöglich sogar zum richtigen Zeitpunkt mit einer Waffe versorgt haben. Was sprach dagegen, dass es ein Mann mit dem falschen Namen Blake
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