Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
im ganzen Land teilten ihr Schicksal? Er bezweifelte, dass sie ihren Mann je wiedersehen würde, und das belastete ihn sehr.
Und nun die Sache mit Bud Curtis. Dessen Tochter Doggie hatte ihn gebeten, ihr beziehungsweise ihrem Vater zu helfen. Dem Hotelmagnaten, der behauptete, unschuldig verurteilt zu sein. Doggie hatte gute Argumente, die diese Behauptung stützten. Aber T. war selbst beim Prozess dabei gewesen und hatte alles gehört, was gesagt worden war. Er hatte schon zwei Wochen auf den Fall verwendet, für so etwas hatte er absolut keine Zeit. Er schüttelte den Kopf und ärgerte sich über sich selbst. Warum hatte er Doggie seine Hilfe zugesagt, wenn er doch gar nicht helfen wollte? Herrgott noch mal, war er blöd.
Er zog eine Zigarette aus der Schachtel und setzte sich auf die Bettkante. Ein paar tiefe Züge, dann würde er sich wieder hinlegen und weiterschlafen. So funktionierte das sonst jedenfalls immer.
In der Zwischenzeit konnte er sich überlegen, was er Doggie sagen würde, wenn er sie anrief. Sie hatte sich gestern bei ihm gemeldet und gesagt, Bud Curtis sollte am kommenden Montag hingerichtet werden – in nur vier Tagen. Durch sein Nichtstun hatte er ihr schon einen Tag gestohlen, an dem sie sich anderweitig Hilfe hätte holen können. Was also sollte er ihr sagen?
T. Perkins drehte am Radio herum, bis er WVLS auf 89,7 FM gefunden hatte. Seit den Lokalsendern verboten war, Beiträge oder Musik zu senden, die als Kritik an Washington aufgefasst werden könnten, spielten sie fast nur noch klassische Musik.
Während T. Perkins in seinem stickigen Schlafzimmer dem Rauch hinterhersah und den ungewohnten Klängen lauschte, spürte er den diffusen Vermutungen nach, die ihn umtrieben. Bisher hatte ihm die nötige Ruhe gefehlt, seinem Bauchgefühl nachzugehen. Doch je näher die Glut seinen Fingern kam, desto klarer wurde ihm, dass er irgendetwas wusste. Nur – was?
Nicht zum ersten Mal kannte er den Schlüssel zu einem Problem, ohne ihn sogleich finden zu können. Wie oft schon hatte ein Gefühl an ihm genagt, er verfüge über Informationen, die den Verlauf der Ermittlungen bei großen wie kleinen Straftaten entscheidend beeinflussen könnten, und das manchmal noch Jahre später. Dann grub er so lange in seinem Gedächtnis, bis er den Schlüssel gefunden hatte. So fühlte es sich auch jetzt an. Die Alarmglocken schrillten geradezu in seinem Kopf, aber worum ging es? Hatte es mit Doggie zu tun? Er war sich fast sicher. Aber das andere lag noch sehr viel weiter zurück.
Er war so versunken in seine Grübeleien, dass er nicht merkte, wie die Zigarettenglut seinen Fingern immer näher gekommen war. Als sie ihm die Haut versengte, stand er laut fluchend auf und ging duschen.
Nachdem er wie üblich ein paar Pfeile ins Schwarze der Dartscheibe geworfen hatte, rief er Vizesheriff Stanley Kennedy an und erklärte, er wolle den Rest des Tages frei haben. Morgen früh, am Samstag, wäre er wieder auf der Wache – keine Sekunde eher. Das sei in Ordnung, sagte der Vizesheriff, er werde die Stellung halten. Er musste schließlich unter Beweis stellen, dass er ein würdiger Nachfolger als Sheriff sein würde, wenn T. Perkins in einem halben Jahr in Ruhestand ging.
T. Perkins legte auf und streckte sich so ausgiebig, wie es die alten Schultergelenke zuließen. Langsam formte sich in seinem Kopf ein Plan. Die Frage war nur, ob der etwas taugte.
Er ging ins Wohnzimmer, betrachtete wehmütig das kleine,vergilbte Gemälde, das einen jungen Kadetten in Paradeuniform unter tiefblauem Himmel zeigte, seufzte und nahm es von der Wand. Es war so weit. Jetzt brauchte er es.
Draußen hatte die Dämmerung eingesetzt. Perkins blickte zu den kahlen Bäumen, hinter denen sich die Landstraße verbarg. Noch bevor er es sehen konnte, hörte er, wie ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit näher kam.
Zwei Minuten später klopfte es. Vor der Tür standen zwei Männer in der Dienstuniform des Staatsgefängnisses in Craigsville. Den einen kannte T. vom Sehen und auch den Bluthund zu seinen Füßen. Der war schon oft zum Einsatz gekommen, wenn sie Flüchtigen auf den Fersen waren. Jetzt waren sie offenbar auch hinter Gesetzeshütern her.
»Laut Executive Order 11 002 müssen sich alle Bürger registrieren lassen, aber Sie haben nie auf unsere Briefe reagiert, Sheriff Perkins. Dadurch zwingen Sie uns, zu Ihnen zu kommen. Das wird Sie dreihundert Dollar Strafe kosten, wie Sie wohl besser als jeder andere wissen.«
Dreihundert
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