Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
Telefonnummer in den Mund schob. Hatte sie es nicht immer gewusst? Es gab keinen Zettel. So einfach war das.
Sie legte sich auf den Rücken und hoffte inständig, dass sie bald am Ziel ankamen. Sie war am Ende, zu viele Gedanken jagten ihr wirr durch den Kopf, die Bedürfnisse des Körpers waren kaum noch zu kontrollieren, vor Kälte und Erschöpfung zitterte sie.
Als sie einmal völlig überlastet gewesen war, hatte ihr ein Professor geraten: »Wenn die Gedanken unstrukturiert durch den Kopf wirbeln, hilft nur eins: eine neue Ordnung schaffen.Sie müssen das Archiv im Kopf ordnen und dann rigoros aussortieren!« Erst jetzt begriff sie wirklich, was er damals gemeint hatte: Man musste sich von allen unwichtigen Gedanken befreien! Und dann die wichtigen in die nötige Reihenfolge bringen. »Okay!«, sagte sie laut. »An die Arbeit.«
Nachdem sie sich nacheinander den Ängsten zugewandt und ihnen ihren Platz zugewiesen hatte – der Situation des Vaters, ihrer eigenen –, war sie schon viel ruhiger geworden. Um sich nun konzentriert die Situation damals im Mittelgang zu vergegenwärtigen, kniff sie die Augen fest zu, trotz der Dunkelheit.
Sie war an jenem fatalen Abend im Hotel zusammen mit allen anderen VIPs nach oben zum Mittelgang gegangen. Sie hatte Bugattis Arm genommen, von Herzen froh, weil alles so gut geklappt hatte. Der Präsident war gewählt, es schneite, ihr Vater hatte ein im Großen und Ganzen ausgezeichnetes Arrangement geschaffen. Vor ihnen gingen Senatoren mit ihren Frauen. In ein paar Wochen würde sie ihre Arbeit im Weißen Haus aufnehmen. Alle ihre Träume schienen zum Greifen nah.
»Toller Abend, findest du nicht?«, hatte sie zu Bugatti gesagt, und dann waren sie auf dem Flur um eine Ecke gebogen und in den Mittelgang gelangt, der zum Konferenzraum führte. Sprachlos hatte sie die Dekoration aus Fahnen an der Decke betrachtet, alle hatten nach oben geschaut und ihre Begeisterung ausgedrückt. Dann hatte ihr Vater das Wort ergriffen. In dem schwarzen Smoking hatte er fantastisch ausgesehen. Vor lauter Stolz hatte sie nicht richtig zugehört. Es war einfach perfekt. Dann hatte ihr Vater Toby O’Neill zugenickt. Sie erinnerte sich genau an ihren Schock und auch daran, dass Bugatti ihre Erschütterung bemerkte. Wieso überlässt er diesem Nobody die Aufgabe?, hatte sie gedacht. In seiner viel zu großen und viel zu roten Jacke und der faltigen Hose hatte er erbärmlich ausgesehen. Als dann O’Neill bereitwillig die Arme ausstreckte,damit ihn der Sicherheitsbeamte durchsuchen konnte, hatte sie sich noch darüber gewundert, dass O’Neill sofort gewusst hatte, worum es ging. Aber dann hatten die Ereignisse diesen Gedanken zurückgedrängt.
Sie biss sich auf die Lippe und gab sich alle Mühe, den Film wieder ein Stück zurückzuspulen.
Sie war also hinter den Senatoren und ihren Frauen in den Mittelgang gekommen. Eine Rangordnung bestimmte, in welcher Reihenfolge sie auftraten. Hinter ihr ging Stephen Lovell mit zwei anderen aus dem Wahlkampfteam, aber nicht Thomas Sunderland, der hatte sich ganz vorn positioniert. Als Erste kamen ihr Vater und das neue Präsidentenpaar, darauf folgten Thomas Sunderland und zwei von Kanes Sicherheitsleuten. Sie wusste, dass Ben Kane zwischen dem Präsidenten und Sunderland ging, das war ihr nämlich aufgefallen, als der Secret-Service-Agent vortrat, um Toby zu untersuchen. Auch Kane war zwei Schritte vorgetreten, das war blitzschnell gegangen, wenn man bedachte, dass er gerade noch zwei Meter weiter hinten neben Sunderland ging.
So gut wie alle hatten sie auf das große hässliche Gemälde gestarrt, als Toby es enthüllte, aber sie selbst hatte nur Toby angesehen. Er hatte an der Schnur gezogen, dann war er einen Schritt zurückgetreten, zu Ben Kane. Ihr war aufgefallen, dass sie sehr dicht nebeneinanderstanden. Thomas Sunderland war direkt hinter Kane, und er hatte ihm über die Schulter geblickt, um zu sehen, was das Gemälde darstellte.
Jedenfalls hatte sie das damals geglaubt.
Dann schob sich die Menge etwas vor, sodass sie Toby nicht mehr sehen konnte, der zusammen mit denen, die hinter ihm standen, an die Wand gedrängt wurde. Sie warf einen kurzen Blick auf das Gemälde, dann suchte sie ihren Vater. Hauptsache, er steht neben Toby, hatte sie damals gedacht, dann kann er den Dummkopf bremsen, falls der das Maul aufreißt. Sie hatte ihn zwei Meter entfernt aufmerksam lauschend nebenMimi Jansen entdeckt, die ihm etwas zuflüsterte, woraufhin er durch
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