Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
einen Blick zu den Fenstern in den oberen Etagen, aber auch dort war nichts Ungewöhnliches zu sehen, kein aufmerksam spähendes Gesicht.
Mach dir nichts vor, Doggie Rogers, dazu bist du zu intelligent. Du weißt, dass sie in der Buchhandlung auf dich warten, das ist sicher. Sie ging dichter an der Hauswand entlang, um den Wassermassen aus den überlaufenden Dachrinnen zu entkommen. Noch zwanzig Minuten. Wenn alles klappen sollte, musste sie T. aufhalten, bevor er hineinging.
Wo mochte er parken? Drüben an der Zehnten Straße? Vielleicht sollte sie einfach bleiben, wo sie war. Sobald sie ihn auf der anderen Seite des Eingangs an der Ecke ausmachte, konnte sie ihm entgegenrennen, auch wenn die Chance, davonzukommen, gering war. Nein, sie hoffte sehr, dass er von Norden her kam. Dort waren auch viel mehr Parkplätze.Zehn Minuten vor zwölf setzte sie sich an der Hauswand auf den Boden, ohne sich um die Wassermassen zu scheren. So machten das Obdachlose, und genauso fühlte sie sich ja auch. Um das Bild komplett zu machen, fehlte nur noch ein Einkaufswagen mit Tüten und allem möglichen Kram. Aber am wichtigsten war das Auftreten. Sie zog die Beine an und legte den Kopf zwischen die Knie und ignorierte die Kaskaden, die sich aus den Dachrinnen ergossen. In dieser Haltung konnte sie unauffällig nach beiden Seiten Ausschau halten.
Komm schon, T.! Langsam wurde ihr richtig kalt.
Sie saß kaum zwei Minuten, als ein schlecht getarnter FBI-Agent auf sie zukam. Sein schwarzer Mantel war noch ziemlich trocken, aber die Hutkrempe würde bald nachgeben. Ob er jetzt seine Deckung aufgab? Möglich, dass ihn einer oben an den Fenstern informiert hatte. Sie sah wieder hoch, konnte aber nichts entdecken, und während sie auf seine Schritte achtete, wühlte sie in der Plastiktüte nach dem Eyeliner. Sie kippte ihn aus und zerrieb die Flüssigkeit zwischen den Fingern. Der Kerl musste jeden Moment bei ihr sein.
Den Kopf zwischen den Knien versteckt, schmierte sie sich die schwarze Farbe um die Augen und summte. Als er nur noch zehn Meter entfernt war und sie bereits ansprach, legte sie den Kopf in den Nacken und ließ den Regen das Bild vollenden. Er stieß sie mit dem Fuß an. »Kann ich den Ausweis sehen?«
Mit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. »Hallo, schöner Mann! Was sagst du? Du willst meine Möse sehen?« Sie bemühte sich, angetrunken zu klingen, und lachte blöde, während ihr vor Angst das Herz im Hals klopfte. Dann senkte sie den Blick und summte weiter.
»Sie können hier nicht sitzen.« Wieder stieß er sie mit dem Schuh an.
»Hey, willst du mich ins Hotel mitnehmen? Ich geh mit dir, wohin du willst.« Sie setzte einen möglichst abwesenden Blick auf und sah zu ihm hoch. »Ich werd dich schon ordentlichdurchvögeln, Mann. Scheiße, Mann, siehst du gut aus. Hilf mir mal eben hoch, ja?«
Er schüttelte den Kopf und sprach in seine Manschette. »Was soll ich mit ihr machen?«
»Sie müssen mitkommen«, sagte er dann. »Sie können hier nicht sitzen bleiben.«
»Wo soll ich denn hin?«
»Weg von der Straße.«
Er zog sie mit bis zur Ecke, vorbei an den ersten Schaufenstern der Buchhandlung.
Wie in allen Filialen von Barnes & Noble erstreckten sich auch hier die Scheiben bis zur zweiten Etage hinauf, sodass man schon im Vorbeigehen einen ungehinderten Blick ins Schlaraffenland der Bücher hatte. Jeden Augenblick würde T. dort in der Wärme nach ihr suchen. Wenn sie nichts unternahm, wäre die Suche vergeblich.
Sie versuchte, ihren Arm zurückzuziehen, aber der Griff des FBI-Mannes war eisern.
Gerade mal fünf Meter von der Ecke entfernt sah sie T. im Geschäft. Er kam mit der Rolltreppe von oben und war für seine Verhältnisse ungewöhnlich gekleidet: Er trug einen Allerweltsmantel und statt der Cowboystiefel braune Schnürschuhe. Er sah vollkommen übermüdet aus, aber sein Geist war sicherlich wie immer hellwach.
»Ich muss hier rein!«, heulte sie.
»Kommt gar nicht in Frage. Sie kommen mit und setzen sich dort hinten in den Wagen.«
»Ich muss pinkeln, Mann. Die lassen mich immer da drinnen pinkeln. Ich hab da mal gearbeitet, klar? Jetzt lass mich los, du Arsch, ich muss da rein!«
Er zerrte sie in die andere Richtung.
»Ich muss da rein, ich muss pinkeln, klar? Sonst schiff ich dir in dein verdammtes Scheißauto!« Sie zog in Richtung Eingang.
Der Griff um ihren Arm wurde noch fester.
»Hey, du Blödmann, lass los, du darfst keine Gewalt anwenden!«
Er versuchte sie weiterzuziehen, aber
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