Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
konfiszieren.
Das war leichter gesagt als getan. Wie zum Teufel sollte man denn zum Beispiel zwei Kartons mit Neun-Millimeter-Patronen auf einer Farm halb so groß wie die Innenstadt Washingtons finden? Oder die Schrotkugeln für Joe Fiskes Gewehr. Wie sollten sie die an sich nehmen? Fiske kannte die Berge wie kein Zweiter und niemand wusste, wo er sich aufhielt. Und überhaupt wusste jeder, dass Joe von dem Wild lebte, das er in seinem eigenen Wald schoss. Er war doch wahrhaftig nicht Moonie Quale und Konsorten.
Aber am allermeisten verwirrte T. Perkins das, was man jeden Tag aus dem Pressezentrum des Weißen Hauses zu hören bekam.
Die Leute dort schienen zu tun, was ihnen gerade in den Kram passte. Natürlich hatte es massive Proteste und Widerstand in beiden Kammern des Kongresses gegeben. Aber das Land war inzwischen in höchster Alarmbereitschaft, und die Macht lag bei der Krisensteuerungsagentur. Uralte Executive Orders kamen zur Anwendung. Es war, als sei die Verfassung für eine Zeitlang außer Kraft gesetzt, dachte T. Perkins, mit unabsehbaren Konsequenzen.
Man wolle Amerika entwaffnen, hieß es, und zugleich die Gefängnisse leeren. Man wolle sämtliche Strafen in gemeinnützige Dienste umwandeln und die Gefängnisse anders nutzen. Alle Gefängnisbeamten sollten so etwas wie Pädagogen werden, es hieß, sie würden dann Gewohnheitsverbrecher und pathologische Fälle betreuen.
T. Perkins fragte sich, wie Gefängnisbeamte, die sich ein Leben lang durch Brüllen und Schlüsselklappern und den Schlagstock am Bund Respekt verschafft hatten, plötzlich in der Lage sein sollten, Beschäftigungspläne für irgendwelche hirnlosen Idioten zu erstellen. Und die verdammt vielen, diejetzt mit verbotener Munition aufeinander schossen, wie sollte man die bestrafen? Zumal sie über kurz oder lang ja doch wieder freigelassen werden würden! T. Perkins verstand das alles nicht, und den meisten anderen ging es nicht anders. Den Republikanern zum Beispiel und den NR A-Leuten, den Kongressangehörigen, den Mitgliedern des Repräsentantenhauses, den Lobbyisten.
Aber was zum Teufel machte das auch, ob sie es verstanden oder nicht. Solange der Präsident und der Nationale Sicherheitsrat sowie das Ministerium für Innere Sicherheit und damit auch die FEMA sich einig waren und die Nationalgarde und das Militär benutzten, um das Land in einem Schraubstock aus Notstandsgesetzen zu halten, so lange war die Opposition doch völlig außer Gefecht gesetzt.
T. Perkins hatte Doggie Rogers angerufen, weil er wissen wollte, was sie zu erwarten hatten, aber sie konnte ihm nichts sagen. Sie arbeitete zwar Tag für Tag nur fünfzig Meter vom Präsidenten entfernt, aber sie hatte keine Ahnung, was da hinter verschlossen Türen vor sich ging.
Inzwischen füllten sich die Gefängnisse in atemberaubender Geschwindigkeit. Die lumpigen sechs Zellen, die ihm zur Verfügung standen, waren längst belegt, und jetzt mussten sie Platz für drei Kerle schaffen, nur weil die demonstrieren wollten, dass sie noch Munition hatten und sich trauten, sie zu benutzen. Hatten sie irgendwem geschadet? Waren etwa Projektile vom Himmel gefallen und hatten Hausdächer beschädigt? Natürlich nicht. Trotzdem blieb ihm nichts anderes übrig, er musste sie einbuchten, und zwar im Waschraum und in der kleinen Küche.
Das Telefon auf T. Perkins’ Schreibtisch klingelte.
»Ja!«
»Chef, ich bin draußen bei Jim Wahlers. Sie müssen hier rauskommen. Sie werden Ihren Augen nicht trauen.«Von Jim Wahlers wusste kaum jemand mehr, als dass er Beerdigungsunternehmer war, spezialisiert auf Mahagonisärge. Dass er drei patente, wenn auch etwas flachbrüstige Töchter hatte und eine Ehefrau, die sich im Supermarkt beschwerte, wenn das Gemüse nicht frisch war. Er galt als umgänglicher Mann, der seine Arbeit machte und ansonsten völlig unauffällig war.
Jim Wahlers’ Haus war riesig, denn der Tod war einträglich und stets gegenwärtig, und drei Generationen von Bestattern hatten einiges anhäufen können. Zum Haus gehörten ein Küchengarten, eine Doppelgarage und ein Zweihundert-Quadratmeter-Keller, wo man sich bei Billard und Darts amüsieren konnte. T. Perkins war in jüngeren Jahren oft da unten gewesen, damals, als er die Kunst des Pfeilewerfens meisterlich beherrschte. Jim war fast genauso gut gewesen, aber eben nur fast. Ein angenehmer Übungskeller, daran erinnerte er sich.
Und nun stand er aufs Neue dort, wie immer mit seinem Lieblingspfeil in der
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