Das Washington-Dekret: Thriller (German Edition)
dass ihr Vater sie anrufen und alles gestehen würde? Dass sie dort weitermachen würde, wo Toby O’Neill aufgehört hatte? Dass sie den Job des Auftragsmörders beenden würde?
»Ja, wir werden alle abgehört.«
Sie zuckte zusammen. Hatte er gerade »alle« gesagt?
Er nickte und nahm ihre Hand. »Doggie, falls die Situation sich jemals ändern sollte, dann denk an das, was ich dir jetzt sage. Du bist die Einzige hier im Weißen Haus, der ich vertrauen kann.«
Sie nickte.
»Wenn das alles überstanden ist, werden die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, daran glaube ich ganz fest. Es wird Anhörungen geben, Verurteilungen und Strafen, glaub mir. Deshalb ist es mir wichtig, wenigstens einen Zeugen dafür zu haben, dass ich das alles nicht freiwillig mitgemacht habe, okay?«
»Das behauptet doch auch keiner, Wesley!«
»Doggie. Ich bin es, der sämtliche Pressemitteilungen formuliert. Ich schreibe die ganze Scheiße, die in die Welt hinausgelangt.Glaubst du wirklich, irgendjemand wird mich für unschuldig halten, wenn es mal so weit ist? War Goebbels etwa unschuldig?«
»Dann hör auf damit.«
»Und wie?«
»Schleich dich raus und verschwinde.«
»Der Chip, Doggie. Weder ich noch sonst jemand vom Stab kommt ohne seinen Chip überhaupt aus dem Weißen Haus heraus. Schon beim Versuch schlagen sämtliche Alarmsysteme an. Meinst du nicht, dass ich längst daran gedacht habe, alles hinzuschmeißen? Ich hätte das Ding am liebsten schon tausend Mal ins Wasser geworfen und kurzgeschlossen.« Dann ließ er ihre Hand los. »Bitte denk dran, wenn es so weit ist, ja? Ich hätte hier und heute gerne mit allem aufgehört, aber ich konnte nicht. Okay?«
Ein dumpfer Schlag an die Tür ließ Wesley aufspringen. Der Stuhl, mit dem er den Zugang versperrt hatte, balancierte einen Moment auf nur einem Bein. Wesley zog Doggie eng an sich. Als der Stuhl beim nächsten Schlag umkippte und die Tür aufflog, küsste er sie leidenschaftlich. Doggie warf einen kurzen Blick Richtung Tür, bevor sie die Augen schloss.
Nach dem Kuss sah er sie eindringlich an. Diese Situation hatte er wirklich nicht geplant, aber es fühlte sich gut an. Er zögerte kurz, dann drehte er sich zum neuen Stabschef Lance Burton um.
»Wesley, Sie alter Schürzenjäger.« Missbilligend betrachtete Burton ihn. »Sie kann man aber auch keine Sekunde aus den Augen lassen, was?« Er schüttelte den Kopf, und Doggie glaubte zu wissen, was er dachte: Wesley konnte gerne mit jeder x-beliebigen Frau etwas haben. Nur nicht mit ihr.
Langsam löste Wesley die Umarmung. Doggie bemerkte, wie sein Blick auf das Telefon fiel, auf das in der Schublade verschwindende Kabel. Sie bewegte sich etwas zur Seite, um Burton die Sicht zu versperren, und im selben Moment ließWesley sie ganz los. Seine Atmung und seine heftig pulsierende Halsschlagader signalisierten ihr, dass er Angst hatte. Seine Stimme aber war so ruhig wie immer. Unglaublich, was für ein guter Schauspieler er war.
»Bin gleich da, Lance, ja? Was müssen wir besprechen? Das Internet?«
Burton sah ihn scharf an und nickte. »Gut. In zwei Minuten in meinem Büro.« Er schloss die Tür hinter sich. Doggie hatte er keines Blickes gewürdigt.
»Das Internet«, flüsterte sie, während er sein Namensschild aus der Schublade holte. »Was habt ihr vor?«
»Theoretisch könnten wir es vierundzwanzig Stunden lang komplett blockieren. Wir kennen Gegenmittel gegen jeden einzelnen Virus. Wir könnten die großen Server und Satellitenverbindungen zerstören. Keiner weiß, ob wir das in zwei Wochen tun, in zwei Tagen oder vielleicht auch gar nicht. Das kommt ganz darauf an, was sonst noch so passiert. Wenn du das Netz noch für irgendetwas brauchst, dann rate ich dir: Tu es sofort.« Er strich ihr eine Strähne aus der Stirn und sah sie sehr ernst an. Dann seufzte er und ging.
Doggie hielt den Telefonhörer in der Hand und versuchte, sich Wesleys Augen in Erinnerung zu rufen, sah stattdessen aber immer nur das Grau des Staatsgefängnisses vor sich.
Die gestrige Begegnung mit ihrem Vater hatte Doggie tief bewegt. Während des Gerichtsverfahrens war ihm lediglich eine Statistenrolle zugekommen. Er war bloß ein winziges Rädchen in einer monströsen Maschine gewesen. Umgeben von den besten Anwälten des Landes, zwischen den prominenten Zeugen und angesichts des enormen Drucks, unter dem auf beiden Seiten der Anklagebank gearbeitet worden war, hatte er so klein, so schlicht und so schuldig gewirkt. Sie hatte
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