Das Weinen der Engel (German Edition)
gehofft, dass sie ab und zu ein paar Tage in der Stadt verbrachte und er sich hin und wieder für eine heiße Nummer bei ihr melden könnte.
Sie sah ihn von der Seite an, bewunderte sein gut geschnittenes Profil, die gebräunten Hände, die er um das Lenkrad gelegt hatte, und fand die Vorstellung nicht einmal so übel.
Der Freeway erstreckte sich vor ihnen wie ein breites, schwarzes Band aus Asphalt, gesäumt von sandigem Boden, auf dem die verschiedensten Kakteenarten gediehen. Die Luft war kristallklar, nur ein paar Wölkchen schwebten über ihnen am Himmel. Sie lehnte sich zurück und genoss den Ausblick.
Als sie in weniger als zwei Stunden Tucson erreichten, knurrte Larks Magen. Dev musste ebenfalls hungrig sein. Er fuhr von der Schnellstraße ab und nahm die Ausfahrt zu einem Burger King, wo sie sich etwas zu essen holten und sich frisch machten. Nach einem kurzen Lunch mit Hamburgern, Pommes und Cola waren sie wieder unterwegs. Sie verließen Tucson Richtung Süden und bogen in den Highway 19.
Als sie durch den kleinen Ort Tubac fuhren, wurde die Umgebung noch malerischer. Schroffe graue Felsen ragten aus dem Wüstenboden, gespickt mit vereinzelten Mesquiten, der Himmel so intensiv blau wie Devs atemberaubende Augen. Vögel hatten die Äste der dürren Fouquieria-Sträucher besetzt, und ein Kojote jagte über den steinigen Boden eines ausgetrockneten Flussbetts, das am Rand der Straße entlangführte.
Lark zog die Karte von Arizona hervor, die sie in der Ablage des Beifahrersitzes gefunden hatte, und entfaltete sie. Von den Bergen in der Ferne sah sie zu den winzigen Namen, die auf der Landkarte standen.
„Das da hinten sind laut dieser Karte hier die Santa Rita Mountains. Ziemlich beeindruckend, was?“
Dev warf kurz einen Blick Richtung Osten der Straße. „Die sehen ganz schön wild aus. Ich würde mich da nicht verlaufen wollen.“
Lark sah zu den schroffen grauen Felsspitzen hinüber. „Ich auch nicht.“ Aber sie stellte sich vor, wie es wäre, dort hinaufzuklettern und von oben über das Tal zu blicken. Als Kind war sie mit ihrem Vater oft gewandert. Die Familie war sogar ab und zu zum Camping gefahren. Diese Erinnerung schön war und traurig zugleich, jetzt, da die beiden nicht mehr lebten.
Schweigend fuhren sie eine Weile weiter, bewunderten die Landschaft und hingen ihren eigenen Gedanken nach.
„Wir sind schon fast da“, bemerkte Dev, nachdem sie Kilometer um Kilometer zurückgelegt hatten. „Wahrscheinlich ist es am besten, wenn wir gleich zu dem Haus der Wellers fahren. Vielleicht haben wir Glück, und Catherine oder Byron sind zu Hause mit Chrissy. Wenn nicht, können wir immer noch zu dem Kerzenladen fahren.“
„Klingt gut.“
„Es ist besser, sie zu überraschen. Es ist schwierig zu sagen, wie diese Leute reagieren, wenn sie erfahren, dass wir alles über die illegale Adoption wissen. Wir wollen ja nicht, dass sie sich aus dem Staub machen oder Chrissy womöglich irgendwohin bringen, wo wir sie nicht finden.“
Lark schwieg. Sie war schon längst davon überzeugt gewesen, dass die Wellers anständige Leute waren, die Chrissy von Herzen liebten wie eine eigene Tochter. Sie würden sicher zuerst misstrauisch auf Dev und sie reagieren, sich aber letztendlich öffnen und Chrissys Tante und den Mann, der ihr geholfen hatte, ihre Nichte zu finden, hereinbitten.
Das war, was sie glaubte. Aber tief im Inneren wusste sie, dass alles auch ganz anders laufen konnte.
Die historische Stadt Tubac erhob sich in der Ferne. Dem Ausdruck der Karte folgend, die Chaz seinem Freund per E-Mail geschickt hatte, blieben sie auf der Straße und folgten dem Weg Richtung High Plains Resort & Golf Course.
„Wie weit ist der Ort noch entfernt?“, wollte Lark wissen.
„Weniger als fünfzig Kilometer. Nach Chaz’ Auskunft liegt die Anlage nur vierzig Kilometer von der Grenze entfernt.“ Dev reichte ihr die Karte. „Das Resort existiert noch nicht lange genug, mein Navigationssystem hat es nicht gespeichert. Du musst jetzt mal die Co-Pilotin spielen.“
Lark warf einen Blick auf den Plan, und sofort machte sich die Anspannung wieder in ihr breit. „Wir sind schon ziemlich nah an der Zufahrtstraße.“ Fast zusammengesunken auf ihrem Sitz, studierte sie die Karte, sah auf und entdeckte aufgeregt die Abzweigung, nach der sie suchten.
„Da ist sie!“
Dev lenkte den Suburban vom Highway auf eine Überführungsstraße, auf der mit Pfeilen markiert der Weg Richtung High Plains Resort ausgewiesen
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