Das Weinen der Engel (German Edition)
bedrohlich werden.
Lark stellte sich dicht an die Wand, wie Dev es ihr beigebracht hatte, die Pistole vor sich in beiden Händen. Langsam bewegte sie sich vorwärts. Wieder hörte sie leise Stimmen, und eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken. Die Stimmen kamen aus dem Kinderzimmer. Vor Angst zog sich ihr der Magen zusammen. Der Pulsschlag dröhnte ihr in den Ohren.
Lark dachte an Matt Jensen und die vielen Stunden, in denen sie genau so etwas trainiert hatten. Sie atmete einmal tief durch, um sich zu sammeln. Eine falsche Bewegung, ein Fehler, und sie und Chrissy würden genauso wie die Wellers tot am Boden liegen.
„Ich habe sie“, hörte sie eine tiefe Männerstimme mit starkem spanischem Akzent.
Lark hielt die Luft an, als der Eindringling in den Flur heraustrat, der nur schummrig von dem Nachtlicht im Kinderzimmer beleuchtet war. Er trug schwarze Kleidung, eine schwarze Skimaske über dem Gesicht. Und er hatte Chrissy auf dem Arm und gegen seine Brust gedrückt. Die Kleine schlief entweder oder war bewusstlos.
Oh, mein Gott
. Vor Angst zog sich ihre Brust zusammen, aber ihre Hände blieben ruhig. Sie stellte sich breitbeinig hin und zielte mit der Ruger auf den Fremden.
„Keinen Schritt weiter!“
Der Mann, etwa eins achtzig groß und hager, blieb ruckartig stehen und wandte langsam den Kopf zu ihr um. Er hielt Chrissy fest an sich gepresst.
„Lassen Sie langsam das Kind herunter und gehen Sie dann. Wenn Sie nicht tun, was ich sage, drücke ich ab.“
Das war geblufft. Chrissy befand sich direkt in der Schusslinie. Lark schluckte. Hoffentlich merkte der Typ nicht, wie entsetzt sie war, dass ihr vor Angst fast schwindelig wurde.
Statt zu tun, was sie wollte, wich der Eindringling mit Chrissy auf dem Arm zurück. Dann wirbelte er herum und rannte los. Gleichzeitig erschien ein zweiter Mann in Schwarz auf dem Flur, eine automatische Waffe schimmerte in seiner Hand.
Larks Griff um die Pistole wurde fester. Ihre Finger zitterten leicht. Sie hatte nur den einen Gedanken, dass der Mann mit Chrissy entwischen würde. Das metallische Klicken klang ihr in den Ohren, als der Mann seine Waffe entsicherte und anhob. Ein tödliches Glitzern erschien in seinen Augen, die sie durch die Löcher in der Maske erkennen konnte.
Lark feuerte.
Sie schoss und schoss und schoss und schoss wieder. Es war ihr kaum noch bewusst, wie oft sie den Abzug drückte, wie viele Schüsse ertönten, bevor der Mann gegen die Wand prallte und die Waffe fallen ließ. Mit einem Stöhnen sackte er auf den Holzboden, dann war es still.
Oh, Gott, oh, Gott, oh, Gott
. Einen Augenblick lang stand sie nur bewegungslos da, nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie holte tief Luft. Gerade hatte sie einen Mann erschossen. Einen Mann, der jetzt blutend hier auf dem Flurboden lag.
Dann plötzlich erwachte sie aus ihrer Starre. „Chrissy!“ Sie stürzte dem Mann hinterher, der mit dem Kind auf dem Arm verschwunden war. „Chrissy!“ Aber der Kidnapper war bereits verschwunden, die Tür hinter ihm geschlossen.
Lark rannte aus der Wohnung. Sie zitterte am ganzen Körper, die Ruhe war verschwunden, Panik hatte sie erfasst. Mit der Waffe in den tauben Fingern raste sie draußen den Flur entlang, aber niemand war zu sehen.
Überall auf dem Gang wurden Türen geöffnet. Verschlafene Nachbarn steckten den Kopf aus ihren Wohnungen.
„Ruft die Polizei an!“, schrie Lark, die ein paar bekannte Gesichter entdeckte. „Ruft 911! Sie haben meine Tochter entführt! Ein Mann hat meine Tochter entführt!“
Alle wichen zurück, um zu telefonieren, Lark rannte weiter. Sie nahm die Treppen statt dem Fahrstuhl. Sie nahm an, der Kidnapper hatte den Lift genommen. Unterwegs betete sie, dass sie vor ihm unten ankam. Ihre nackten Fußsohlen klatschten auf die Metallstufen. Ihre Brust war so zugeschnürt, dass sie kaum atmen konnte. Doch als sie die Tür zum Empfangsraum im Erdgeschoss aufschob, stand die Fahrstuhltür offen. Niemand war zu sehen.
„Wo bist du, du Scheißkerl!“ Rasend vor Wut wirbelte sie von einer Seite zur anderen und suchte nach einer Spur.
Die Feuertreppe! Statt mit dem Fahrstuhl musste er die Feuertreppe hinuntergestiegen und direkt zum Parkplatz gelangt sein! Sie drehte sich um und stürzte zum Notausgang. Ihr laut hämmerndes Herz drohte fast ihren Brustkorb zu sprengen. Als sie die Tür aufstieß und den Alarm auslöste, erblickte sie einen schwarzen SUV mit laut wummerndem Motor. Der Mann mit Chrissy auf dem Arm
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