Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
eigene Schreiberei, die ganz gut lief – mit der Hilfe von Céline, Turgenjew und John Bante. Aber es ist seltsam mit dem Schreiben: Man kommt nie ans Ziel; nah ran vielleicht, aber man ist nie da. Deswegen müssen die meisten von uns immer weitermachen: Wir sind geleimt und kommen da nicht raus. Dummheit belohnt sich oft selbst.
Von Larkin erfuhr ich, dass Mary das Haus in Malibu zu verlieren drohte. Uneingeschränkt wollte das Filmkrankenhaus die Kosten nun doch nicht übernehmen. Die Säbelärzte mussten bezahlt werden. Operationen waren teuer, und sie wollten ihren alten Mercedes nicht ewig fahren … Die Zwangsversteigerung des Hauses in Malibu war bereits beantragt. Nicht zu sterben konnte sehr kostspielig sein. Krankenhäuser, die angeblichen Stätten der Barmherzigkeit, waren Unternehmen, verschissenes Big Business.
Bevor wir noch mal hinfahren konnten – und bestimmt war ich nicht besser als Johns Gutwetterfreunde, denn ich wartete zu lange –, bevor wir noch mal hinfahren konnten, rief Mary an.
»John ist tot«, sagte sie.
Ich weiß nicht mehr, was ich antwortete. Sicher nichts Besonderes. Mein Kopf war leer. Ich glaube, ich sagte etwas wie: Es war das Beste für ihn. Geht’s Ihnen gut?
Dumm, so dumm.
Ich ließ mir sagen, wo und wann die Beerdigung war.
Leben, sterben, begraben werden. Die Zurückbleibenden lassen einen Ölwechsel machen, die Bremsen schmieren. Vögeln vielleicht. Schlafen. Nehmen zum Frühstück Rührei, Spiegelei oder ein gekochtes …
Es war ein heißer Tag; wir erreichten die Kirche beinah zu spät. Der Pacific Coast Highway war gesperrt, so dass wir in einen massiven Verkehrsstau umgeleitet wurden, und ich fand die Kirche nur, indem ich hinter einem Leichenwagen herfuhr, der sich zufällig als der richtige herausstellte.
Die Angehörigen waren da und ein paar Freunde. Ich war gebeten worden, die Grabrede zu halten, hatte aber abgelehnt, weil ich wusste, dass ich in Tränen ausbrechen und alle in Verlegenheit bringen würde. Ich sah Ben Pheasants am Grab. Ben hatte großartige Artikel über Bante geschrieben, darunter einen für die L. A. Times . Wir waren einmal Kumpel gewesen. Aber ich hatte ihn in einem Gedicht runtergemacht.
Die meisten von uns gingen wieder zu ihren Wagen. Alta hielt meine Hand. Mary blieb sitzen. Als wir davongingen, sah ich Johns Sohn Harry. »Bleiben Sie dran, Hank!«, sagte er.
»Okay, Harry …«
Nachdem ich das gesagt hatte, kam ich mir auf einmal sehr selbstsüchtig vor, aber es war zu spät. Ich wusste irgendwie, was er meinte – vielleicht wusste ich, was er meinte: Sein Vater, John Bante, hatte mir im Wesentlichen gezeigt, wie es ging …
Und das war’s, das war alles.
Ich hatte mein Idol kennengelernt. Das Glück haben nur wenige.
Charles Bukowskis Los Angeles für Li Po
California Magazine, Juni 1986
Also, mit Li Po würde ich zu Musso & Frank gehen, und wir würden uns an die Bar stellen, während wir auf einen Tisch warten. Ich würde nach einem Tisch im »Old Room« fragen, mit Jean als Bedienung, wenn möglich. An der Theke zu warten macht mir überhaupt nichts, außer freitag- und samstagabends, wenn die Touristen in den Wald strömen. Ich nähme einen Vodka Seven, Li Po einen guten Rotwein. Wenn wir unseren Tisch bekämen, würden wir eine Flasche Beaujolais bestellen und uns die Karte ansehen. Ich würde Li Po erzählen, dass Hemingway, Faulkner und F. Scott sich immer im Musso abgefüllt haben und ich das auch gern mache, am liebsten nachmittags, dass ich eine Flasche nach der anderen kommen lasse, während ich mir die Karte anschaue, und dann meistens gar nichts esse.
Nach dem Musso würden wir einfach zu mir nach Hause gehen und weitertrinken, wahrscheinlich wieder Roten, und dazu indische Sher Bidis rauchen. Ich würde reden und er zuhören, und dann würde ich zuhören und ihn reden lassen. Es würde ordentlich gelacht, und damit wäre der Abend gelaufen. Es sei denn, er hätte Lust, ein paar Gedichte zu schreiben, sie anzuzünden und sie im Hafen von L. A. treiben zu lassen.
In Städten zeigen sich Geschmack und gesundes Urteil weniger in dem, was man sieht und tut, als in dem, was man nicht sieht und tut. Was um uns ist, ist nicht halb so wichtig wie das, was in uns ist, obwohl wir, zugegeben, auch mit dem leben müssen, was um uns ist. Li Po weiß das natürlich, und so wäre es für uns beide das Beste, in Ruhe die Nacht durchzusaufen. Ja, ja und noch mal ja.
Blick zurück auf einen Großen
Über
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