Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Schreibmaschine setzt, bewegen sich die Berge. spar dir den Scheiß, sagte ich. ich will den Sieger vom sechsten Rennen. schreib mir ein Sonett, lachte er, ein schönes Sonett. ich nahm ihn nochmal unters Messer, und er kippte vornüber, dann hob er ein letztes Mal den hässlichen, triefenden Kopf: ich hab mit zwölf als Pferdeführer angefangen, lachte er, wusste er doch, dass ich in der Falle saß, und eins sag ich dir: gegen die Pferdchen kommst du nie an.
ich machte das Licht aus und ließ ihn in seinem Blut liegen. draußen erloschen die Laternen, und der Nebel verzog sich, und ich hatte alles satt, besonders das Dichten.
besonders die Lyrik. Lyrik. Mein Kopf schmerzt wie eine über Gestein rollende Kokosnuss. Lyrik. Ihre verfluchte Artillerie donnert unentwegt seit Ostersonntag, und der Dreck setzt sich mir in die Ohren. mir tun die Zähne weh, meine Leber ist schwarz (keine Rassendiskriminierung hier), ich habe Verstopfung (ebenfalls keine Rassendiskriminierung – ich muss sehr vorsichtig sein, denn wir haben eine Demokratie und ich bin weiß), aber Herrgott noch mal, meint ihr, das Leben lohnt sich? ja? so nicht – mir tun die Zähne weh, und meine Leber ist weiß. es gibt nichts als Granatsplitter und Verwirrung, und niemand weiß, wofür zum Teufel er kämpft. Doch alle machen weiter. und weiter. und weiter.
ein Ende wollt ihr?
dann mal los. wer, ich?
ich mache eine neue Blasche auf. nicht Blasche, Flasche. ihr macht sie auf, und ich trinke sie. und ihr versucht mal, so viel zu schreiben wie ich, ohne vom Stuhl zu fallen. Einstweilen schert euch zum Teufel, bis ihr die Verzweiflung lebendiger Kunst ohne falschen Schnurrbart versteht. ich weiß, ich weiß, das ist es nicht, das hier ganz bestimmt nicht: mein Kopf schmerzt wie eine über Gestein rollende Kokosnuss, und alle Blondinen sind alt, und das Laub knackt unter meinen Füßen.
Ein hin und her schweifender Essay über Poetik und das verfluchte Leben, verfasst bei einem Sechserpack Bier
In den Jahren, als ich mich noch für ein Genie hielt und hungerte und niemand meine Sachen druckte, vergeudete ich viel mehr Zeit in Bibliotheken als heute. Am liebsten saß ich an einem freien Tisch beim Fenster, wo mir die Sonne ins Genick, auf den Hinterkopf und auf die Hände schien, weil mich die rot, orange, grün und blau eingebundenen Bücher, die wie zum Spott um mich herumstanden, dann nicht so anödeten. Am liebsten ließ ich mir die Sonne ins Genick scheinen, träumte und döste vor mich hin und versuchte, nicht an Miete und Essen, an Amerika und an Verantwortung zu denken. Ob ich ein Genie war oder nicht, beschäftigte mich weniger als die Tatsache, dass ich einfach mit nichts was zu tun haben wollte. Die Antriebskraft und Energie meiner Mitmenschen verblüffte mich: wie jemand den ganzen Tag lang Reifen wechseln oder einen Eiswagen fahren, für den Kongress kandidieren und als Chirurg oder Mörder einem Menschen im Bauch herumschneiden konnte, das ging über meinen Verstand. Davon wollte ich nichts wissen. Und will es immer noch nicht. Jeder Tag, den ich an dieser Lebensmaschinerie vorbeischummeln konnte, war für mich ein gewonnener Tag. Ich trank Wein und schlief in Parks und hungerte. Selbstmord war meine stärkste Waffe. Der Gedanke daran gab mir etwas Frieden; der Gedanke, dass der Käfig nicht ganz und gar verschlossen war, gab mir tatsächlich ein bisschen Kraft, es darin auszuhalten. Die Religion schien mir Bauernfängerei zu sein, ein Spiegeltrick, und ich war der Meinung, wenn schon Glaube, dann sollte er aus mir selbst kommen, ohne bequeme Hilfsmittel und vorgegebene Gottheiten … Frauen schienen Teil von allem anderen zu sein: Sie maßen sich einen bestimmten Wert zu und verlangten einen Preis, aber wenn meine Augen und, soweit vorhanden, meine Seele mich nicht trogen, stellten sie allesamt überzogene Forderungen. Und wie ich bei meinem Vater gesehen hatte, diesem verrohten Ungeheuer, dem ich mein Bastarddasein auf dieser traurigen Erde verdanke, konnte ein Mensch arm bleiben, auch wenn er sein Leben lang arbeitete; sein Lohn ging für den Kauf von Allernötigstem drauf, Kleinigkeiten wie Autos, Betten, Radios, Essen und Kleidung, die, genau wie Frauen, weit mehr kosteten, als sie wert waren, und seine Armut besiegelten, und noch sein Sarg war eine letzte krasse Unverhältnismäßigkeit: all dies schöne Edelfurnier für das blinde Gewürm der Hölle.
Andererseits könnte man auch reich werden, und es hätte nichts zu
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