Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Gericht gehen und mich fragen, woran ich gescheitert bin und wie. Ich kann Dichtung weder als ein Ausdrucksmittel für die Allgemeinheit ansehen noch als das überkommene Privatvergnügen einiger weniger. Nicht mal das ist es – wenn eine Zeitschrift für sogenannte gehobene Lyrik ein Gedicht von mir annimmt, frage ich mich, wo ich versagt habe. Dichtung muss fortwährend aus sich herausgehen, raus aus dem Schatten und den Spiegelungen. Dass so viel schlechte Lyrik verfasst wird, liegt daran, dass sie als Dichtung und nicht als Konzept geschrieben wird. Und dass die Allgemeinheit Lyrik nicht versteht, liegt daran, dass es nichts zu verstehen gibt, und die meisten Dichter schreiben, weil sie zu verstehen glauben. Es gibt nichts zu verstehen oder »wiederzuerlangen.« Es gibt nur zu schreiben. Für irgendwen. Irgendwann. Und nicht zu oft.
eine leidvoll gestrichene Geige, betrunkene Klavierspieler in muffigen Bars, Lichter, Lichter, Gassenkatzen; schlafende Priester, Männer, die Bomber blankputzen.
also entschuldige ich mich beim Tod dafür, dass ich so lebe mit Sargzehen und Büchern voll Schädeln und Historien der Geier; wie eine Wolke hätte ich mich ins Außerhalb hineinmalen sollen, aber ich habe noch ein letztes Nylonknie betrachtet, dem spielerischen Krakeelen der Katzen gelauscht, der Blasphemie des Essens und des Weins gefrönt. Ich habe von Napoleon und Cicero gelesen und Sachen gepflanzt, die blühten. Ach, wer hat nicht alles am Rand der Schlucht gezögert … sich umgeschaut, Fluchtbereitschaft signalisiert, oder Gehorsam, oder Verrat? Ich starre in den Abgrund, die Göttergesichter, die grimmigen Fratzen der Halluzination und frage mich … was soll mich eine leere Batterie kümmern oder die Zukunft Spaniens? muss ich heute Nacht die Tür abschließen?
unsere Kunst ist unsere in Vernunft verwandelte Qual. Wir sind der Lohn für ein verdrehtes Hirn, schmutzige Lehmklumpen, hocken wir an einem Schwachsinnstisch in schwachsinniger Dunkelheit und warten. unsere Welt dreht sich auf einem gewaltsam ramponierten Rad, das auf den dünnen Speichen der Dichtung ruht …
ich habe in 2 Monaten fünf Kugelschreiber versiebt und mir gerade an der Bettkante 3 Zehennägel abgebrochen. Wenn du glaubst, Jesus ist am Kreuz gestorben, denk noch mal drüber nach; das Telefon hat seit 7 Wochen nicht geklingelt, und ich liege hier mit einem 4-Tage-Bart, zieh die Rollos rauf und runter, rauf und runter, um zu sehen, ob es Mittag oder Mitternacht ist, und immer wieder kommen mit der Post Prospekte für Grabsteine, Grabsteine, die auf dem Papier verteilt sind wie Motten auf einem Lampenschirm, während ich mir eine italienische Oper anhöre, die ebenfalls für Grabsteine wirbt.
… von einem Wal verschlungen zu werden wäre besser, als angefallen und zerfleischt von Barracudas. Nicht der Tod macht’s, sondern wie man zu Tode kommt. vielleicht bepflanzen wir sie deshalb mit Blumen, um den Stachel zu lindern, das Ende fälschlich in einen Anfang umzumünzen, etwas Kontrollierbares und Kalkulierbares. Das ist Zivilisation, und natürlich haut es nicht hin.
Ich sitze hier betrunken und frage mich, wie und wo ich morgen leben werde. Die Skid Row ist kein Ort für einen, der mit seinen Gedanken allein sein möchte. man sagt, ich bin ein guter Dichter und kann auch mit dem Pinsel umgehen, und ich bekomme parfümierte Briefe von weit entfernten Ladys, aber ich bin gefasst auf die Krähen vor der Sonne meines Verstands, während ich Rachmaninoff in einem Radio höre, das ich morgen versetzen muss, wir alle sind Verrückte und Außenseiter, sage ich euch, und die Universitätsbeamten, die Lyrik lehren hinter verstaubten, stillen Fakultätsfenstern, wissen nichts von diesen Wänden oder den Hauswirtinnen von South Hollywood oder den verwüsteten Gesichtern auf der Row, wo die Worte Rimbauds oder Rilkes keinen Cent wert sind, wo die Liebe zum Menschen und zum Leben weniger ist als die Papierrollen, die unsere flatternden Laken sind, weniger als die Ratten, die unsere Gassen kennen und sie mit uns teilen, unsere unbeachteten kleinen Niederlagen.
Ich zwinge die Hand nicht zur Lüge, bloß um ein neues Gedicht zu schreiben.
der Tod rennt gegen meinen Verstand an wie eine tollwütige Fledermaus, die in meinem Schädel eingeschlossen ist.
wie ein gelber Schrank in einem alten Fremdenheim in New Orleans, Atlanta oder Savannah oder in der Temple Street in Los Angeles stehe ich da mit einer Zigarette und würfle mit
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