Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
armselig … haha … ’n kleinen Schwanz hat er, hahahahahaha … wirklich wahr, und jetzt lässt er sich ’n Bart stehen, und wenn er in die Bank kommt, wo ich arbeite, redet er nicht mehr mit mir … Wieso nicht? Meinst du, die sind sauer auf uns? Hahahaha … so ’n kleiner Schwanz.
Notizen eines Dirty Old Man
L. A. Free Press, 22 . März 1974
Scheiße findest du wirklich gut, was? Mir ist in den paar Jahren aufgefallen, dass du’s mit dem Wort »Scheiße« und mit Scheißen wirklich hast …
Nein, nein, nein. Mit dem Wort »Scheiße« hab ich’s nicht, es stößt mich irgendwie ab. Ich mag keine Leute, die » Scheiße! « sagen. Das Wort benutze ich selten.
Gut, aber ich meine, das Scheißen als Vorgang findest du irgendwie angenehm.
Bloß ich?
Na, ich weiß nicht. Du scheinst mehr Spaß daran zu haben als die meisten Leute – die reden nicht so oft davon.
Sie geben es nicht so gern zu.
Zugeben?
Na ja, du läufst da rein und sagst: »’ne Zeitung bitte«, damit es dir Spaß macht. Dann liest du was, und ein Haufen kommt raus, und du liest …
Aber ich achte längst nicht so wie du darauf, wie die Haufen da rauskommen. Bei mir kommen sie einfach.
Du guckst sie dir also hinterher nicht an und bewunderst sie?
Nein.
Man empfindet aber doch den Verlust so stark. Gleich spült man diese Haufen weg, und dann sieht man sie nie wieder. Die selben Haufen wird man nie mehr sehen.
Ich empfinde es überhaupt nicht als Verlust, wenn ich sie wegspüle … ich denke, puh, stinkt das …
Ich versuche mir die Gestalt sämtlicher Haufen einzuprägen, die ich jemals hinterlassen habe. Die Anordnung ist jedes Mal anders, wie bei Gemälden. Die Scheiße kommt nie gleich raus. Wie oft scheißt der Durchschnittsmensch im Leben? Man kann es nicht zählen. Aber jeder Schiss unterscheidet sich unendlich von jedem anderen, den du abdrückst. Jeder Haufen ist anders, die Größe, die Anzahl, dein Gefühl dabei ist anders, der Ort ändert sich, die Temperatur, das Wetter, mit wem du zusammenlebst oder nicht, ob du arbeitslos bist oder beschäftigt, die verschiedensten Einflüsse spielen mit rein. Und es gibt sogar noch einen Bonus: Du greifst nach dem Klopapier, und das kann diverse Farben haben, es kann grün, blau, gelb, violett oder sonstwas sein. Und dann langst du hin und wischst dir den Arsch und siehst dir das Papier an und denkst, oh-oh, ich bin immer noch schmutzig. Am besten wisch ich noch mal, sonst riecht am Ende jemand meinen Scheiß. Und während du wischst, denkst du: Manch einer wischt sich den Hintern vielleicht weniger gut ab als ich.
Vielleicht wische ich ihn mir aber auch nicht gut genug ab. Okay, gleich bist du wieder dran, aber auf Scheiße steh ich jedenfalls nicht. Halt, halt, halt … neulich war ich im Supermarkt auf Frauenfang, mal wieder, und im Gang mit dem Toilettenpapier seh ich eine alte Frau von cirka 92 Jahren, und die sucht nach dem günstigsten Klopapierangebot.
Das macht doch jeder .
Na ja, aber wenn du 92 bist, kannst du morgen früh tot sein, wozu willst du da drei Cent sparen? Ich meine, es ist doch Wahnsinn, wenn man mit 92 überhaupt noch scheißen kann – warum feiert man das dann nicht und kauft sich das teuerste? Verschleudert die drei Cent? Na gut, jetzt geht meine Phantasie mit mir durch.
Beim Thema Scheiße, siehst du. Ich hab dir ja gesagt, dass dich das anmacht. Du bist eindeutig darin verliebt. So was merke ich. Was hältst du denn von der Ansicht, die die Psychologen über Scheißefreaks verbreiten … dass Scheiße das ist, was du als Kind, wenn die Eltern alles Mögliche von dir verlangt haben, zurückhalten konntest und was dir allein gehörte.
Ich weiß nicht, ob die sich so zurückhalten ließ.
Und egal, was sie sonst alles hatten, du konntest da reingehen, und dieses Stück Scheiße war deins und hat eindeutig in seiner ganzen Schönheit dir gehört.
Da kann ich nur sagen, dass die Psychiater und Psychologen nicht so Eltern gehabt haben wie ich. Wenn ich auf dem Topf war, dachte ich, der Scheiß gehört meiner Mutter und meinem Vater, wo sie doch immer sagen, was sie für Opfer bringen, um mich durchzufüttern, was sie für Opfer bringen, damit ich was zum Anziehen habe, und wie sie darben müssen, um mich großzuziehen – also war mir beim Scheißen immer klar, dass es ihr Scheiß ist, nicht meiner.
Sollen wir mal aufhören, von Scheiße zu reden?
Na, das ist schwierig, aber lassen wir’s halt, auch wenn ich dazu was Interessantes
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