Das weingetränkte Notizbuch: Stories und Essays 1944-1990Fischer Klassik PLUS (German Edition)
gelesen habe. Die Stadt New York leitet ja bekanntlich seit geraumer Zeit ihre Scheiße ins Meer, und in dem Artikel stand, dass diese Scheiße einen riesigen Klumpen gebildet hat, der mit ungefähr acht Stundenkilometern langsam auf New York zusteuert, und die Fachleute haben keine Ahnung, wie sie ihn aufhalten sollen … man kann nicht mit ihm reden, kann ihn nicht zerbomben, nicht wegsprühen, Beten hilft auch nichts. Jetzt nähert sich dieser Riesenklumpen New York, und man kann nichts dagegen tun. Allzu unglücklich war ich nicht, als ich das gelesen habe, denn wenn irgendeine Stadt verdient hat, in Bergen von Scheiße zu ertrinken, dann ist es New York.
Ich dachte, wir wollten von der Scheiße weg.
Gut, Schluss damit. Es schlägt einen zwar in Bann, aber wir kommen schon weg davon.
Meinst du wirklich?
Es braucht Mumm, aber wir schaffen das.
Lass uns über Sex reden oder schlafen gehen.
Kriegen wir das hin?
Scheiße, ja.
Unveröffentlichtes Vorwort zu William Wantlings 7 on Style
[ca. 1974 ]
Mein Briefwechsel mit Bill Wantling begann in den Zeiten der Hekto-Revolution, den Zeiten von Blazek und Ole , als ich auf seine Arbeiten aufmerksam wurde. Ich schrieb Wantling so viel, dass er mich in einen schnell zusammengeschusterten Roman packte und mir Teile meiner Korrespondenz in den Mund schob. Ich war ein abgenudelter Schauspieler aus Hollywood, der Tabletten schluckte und zu viel trank (tatsächlich wohne ich im Rotlichtviertel zwischen Hollywood Boulevard und Western, aber mit Schauspielen habe ich wenig am Hut). Die Jahre vergingen, die Briefe wurden spärlicher, ich lebte mit verschiedenen Frauen zusammen, aber Bill blieb bei seiner Ruthie, der Frau, die sein Halt, seine Liebe, sein Überlebensgarant war. Mit dem Schreiben hatten wir dann beide Glück: Ich konnte schließlich sogar die Miete davon bezahlen; Bill machte mit den Knochenjobs weiter, wenn er clean war, und wurde vor allem in England und Neuseeland bekannt – seiner Schreibe fehlten die Kunstgriffe und die Glätte, die das breite amerikanische Lyrikpublikum verlangt –, und da er es nie leicht hatte, schrieb er weiterhin sehr gut.
Dank einer Wasser schöpfenden, Segel flickenden, Essen aus den Wellen fischenden Ruthie schaffte Bill es an die Universität. Bills G. I.-Vergangenheit half dabei auch. Mir wurde himmelangst um Wantling in den Mühlen der Hochschule, denn er besaß eine harte, natürliche Art zu schreiben, und ich dachte, er könnte Schaden nehmen. Irrtum. Jedenfalls blieb er nicht lange genug, um einen Lehrstuhl zu bekommen. Dieses Jahr war er nun also plötzlich Dozent – eine auf ein Jahr befristete Stelle. Und so habe ich ihn persönlich kennengelernt. Er hat bei der Englischfakultät alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit ich an der Illinois State eine Lesung halte. $ 500 hat er für mich rausgeschlagen, und da die Pferde schlecht liefen, flog ich hin.
Im Flieger bekam ich es dann mit der Angst zu tun: Was konnte nicht alles passieren? Mein Grundsatz war, Schriftstellern möglichst aus dem Weg zu gehen; sie schwächen sich gegenseitig, wenn sie zusammen feiern, tratschen, meckern. Fast alle Schriftsteller, die ich kenne, halten sich für unsterblich und verkannt, obwohl sie in Wirklichkeit einfach nur schlecht schreiben. Die wenigsten sind supernett, und beim Abheben dachte ich, Herrgott, es kommt bestimmt wieder so, wenn ich ihn kennenlerne, werde ich ihn nicht mögen, und dann mag ich bald auch seine Gedichte nicht mehr. Bill meinte immer, sieh dir den Schreiber an, nicht den Menschen. Aber ich bin ein Gefühlsmensch und kann nicht anders, ich seh mir beides an. Und wie stand es mit mir selbst? Ich kleide mich schlecht. Modegeschäfte sind nicht mein Fall. Ich hatte eine 15 Jahre alte Jacke an, eine billige Hose, die nicht saß, Schuhe mit abgelaufenen Hacken und den zwei Nummern zu großen Mantel meines toten Vaters. Außerdem bleiben meine Haare nicht liegen und ich hab keine Frisur, weil ich nicht zum Friseur gehe; ab und zu drücke ich einer Frau eine Schere in die Hand und sag ihr, leg los. Wenn eine Frau da ist.
Von Chicago aus musste ich so ein Propellerding nehmen, über das die Passagiere unterwegs Witze reißen. Aber auch da bekommt man was zu trinken. Und die Maschine ruckt und die Stewardess stößt dich mit Hüften an, die mehr versprechen. Schlecht geschrieben, was?
Nun, ich ging als Letzter von Bord. Ein Windstoß von hinten blies mir sämtliche Haare vors Gesicht. Ich stapfte mit
Weitere Kostenlose Bücher