Das weiße Amulett
auf Mansfield niedersausen.
Vincent beugte sich besorgt über den bewusstlosen Amerikaner.
»Pierre, denk an den Bastard von vergangener Woche, den du mit so einem Schlag umgebracht hast!«
»Mann, das war ein Versehen«, verteidigte er sich. »Außerdem hat dieser Kerl das verdient, verdammt. Das nächste Mal kannst du es selber machen, wenn es dir nicht passt.«
»Nun sei doch nicht gleich eingeschnappt, Großer. Ich gönn es dem Amerikaner ja, aber ich will keinen Ärger mit Lucass haben. Los, trag ihn in den Wagen, damit wir ihn wieder abliefern können.«
»Wo bringen wir ihn hin?«
Vincent zuckte mit den Schultern. »Völlig egal. Vielleicht in die Nähe der Peripherie. Auf jeden Fall schön weit weg von seinem eleganten Hotel.«
Zwei Stunden später schloss Mansfield mühsam die Tür seines Zimmers im Vernet auf und lehnte sich mit schwerem Schädel gegen das Edelholz. Verdammt, das Treffen mit Lucass war nicht so verlaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Immerhin war er noch am Leben. Lucass wusste jetzt, dass er in der Stadt war und ihm auf den Fersen bleiben würde. Sehr gut. Er griff sich an den Hinterkopf und strich über zwei Beulen. Diese beiden Idioten hätten ihn am liebsten umgelegt. Merkwürdig, dass Lucass das nicht gewollt hatte. Oder auch klug von ihm, je nachdem.
Dass er seine Waffe eingebüßt hatte, war allerdings ärgerlich. Er würde sich so schnell wie möglich eine neue besorgen müssen.
Mansfield stieß sich von der Tür ab und ging ins Badezimmer. Er wollte duschen und sich den Staub aus der Lagerhalle abwaschen. Dabei sah er missmutig auf die roten Striemen an seinen Handgelenken. Er würde in den nächsten Tagen nur langärmlige Shirts und Hemden tragen können, oder Laurent und Karen würden ihm unangenehme Fragen stellen.
Er runzelte die Stirn, als er daran dachte, was der schmierige Vincent über Laurent gesagt hatte. Offenbar würde der französische Kommissar ihm keine Hilfe sein, aber das hatte er sowieso schon vermutet. Er nahm eine Hand voll kaltes Wasser und rieb sich damit den schmerzenden Nacken ein.
Es lag etwas in der Luft, und er hatte das Gefühl, als ob eine mächtige Gewitterfront auf ihn zukommen würde.
»Unsinn«, murmelte er, legte sich auf die unbequeme Couch und fiel sofort in einen tiefen Schlaf.
13
Ein sanfter Kaffeeduft schwebte durchs Zimmer, als Mansfield einige Stunden später die Augen öffnete. Karen saß ihm gegenüber und biss gerade in ein Croissant, während sie nach einer Kaffeetasse griff und in Mansfields zerknittertes Gesicht schaute. »Sie sehen aber schrecklich aus. Haben Sie nicht gut geschlafen?«
Er fuhr sich mit dem Handrücken über die müden Augen. Die Erlebnisse der vergangenen Nacht schienen ihm ins Gesicht geschrieben zu sein, und in einem Albtraum hatte wieder jemand auf ihn geschossen. Er fühlte sich völlig gerädert.
»Sie machen Scherze. Ich bin wie neugeboren«, log er und massierte seinen schmerzenden Nacken. Karen sah ihn prüfend an, als er seine steifen Arme reckte und die Schultern lockerte.
»Kaffee, Whiskey oder lieber ein Aspirin?«, gab sie liebenswürdig zurück, aber Mansfield musste über diese Retourkutsche nur grinsen.
»Erst mal einen Kaffee.« Er griff nach der Tasse, in die Karen die aromatische Flüssigkeit einschenkte. »Danke«, sagte er und bemerkte mit leichtem Erstaunen, dass Karen sich ein Croissant mit Schinken belegte und auf das andere Marmelade strich. »Sie haben wieder Appetit?«
Sie biss herzhaft in das Schinken-Croissant. »Ich habe gestern Abend nichts gegessen«, erinnerte sie ihn.
»Ich weiß.«
»Und außerdem werde ich kein Mittagessen bekommen, weil ich nachher abreise.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Mein vollkommener Ernst.«
»Und was wird aus Ihrem Buch?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe hier nichts finden können, also wovon soll ich ein Buch schreiben?«
Mansfield musterte sie. Die letzten Tage hatten Spuren hinterlassen, was nach der Messerattacke und der Flucht in der Metro verständlich war.
»Das ist nicht der wahre Grund, oder? Sie haben Angst«, sagte er.
Karen knallte die Tasse auf den Unterteller.
»Ja, ich habe Angst! Ist das ein Wunder? In den letzten Tagen hat man dreimal versucht mich umzubringen. Das finde ich nicht besonders witzig. Ich werde nach Deutschland zurückkehren.«
»Sie geben auf?« Mansfield wunderte sich nicht über ihren plötzlichen Wutausbruch. Er hatte sich schon gefragt, wann der Frust aus ihr herausbrechen
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