Das weiße Amulett
Augen von der goldenen Maat zu dem Djed-Pfeiler auf dem Tisch.
»Wem von den beiden gehört diese Kette?«, stieß er hervor. »Dem Mann oder der Frau?«
»Der Frau glaube ich, aber ich bin mir nicht sicher.«
Dann griff er nach den Personalausweisen, studierte die Namen und schüttelte ungläubig den Kopf. Er legte die Papiere auf den Tisch zurück, nahm die Rolex in die Hand und betrachtete das wertvolle Schmuckstück.
»Und wo ist der Mann?«
Hassan zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Sie haben nur die Frau mitgebracht.«
Der Ägypter klopfte Hassan auf die Schulter und meinte in milderem Ton: »Gut, dass du es mir gesagt hast, Hassan. Geh jetzt wieder nach Hause. Wir sehen uns morgen.«
Hassan verschwand in der Dunkelheit, und der Ägypter kehrte mit ernster Miene in den großen Raum zurück, in dem ein schwerer süßer Tabakduft lag. Die Geräuschkulisse war laut, und so beachteten ihn die meisten nicht. Nur vier Männer beobachteten ihn argwöhnisch, darunter auch der Omde des Dorfes, dem der Mann mit der weißen Galabiya mit einem einzigen Blick zu verstehen gab, dass er ihn zu sprechen wünsche. Er teilte den Vorhang und hielt ihn auf, während er den Omde ansah. Dieser rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her.
»Was willst du von mir?«
»Mit dir reden«, sagte Ibrahim El Bahay eisig.
»Ich will aber nicht mit dir reden«, entgegnete der Omde und warf El Bahay einen unsicheren Blick zu. Obwohl der Raum voll von seinen Gefolgsleuten war, fühlte er sich der Macht dieses gebildeten Stadtmenschen nicht ebenbürtig und versuchte ihn einfach zu missachten. Aber das ließ dieser nicht zu.
»Komm«, sagte El Bahay. Seine Augen schossen Blitze auf den Omde ab, der sich schließlich widerwillig erhob und zur Tür ging. Seine Männer redeten auf ihn ein, dazubleiben und mit ihnen zu feiern. Und El Bahay forderten sie auf, sie in Ruhe zu lassen. Doch El Bahay hielt unbeirrt den Vorhang auf, und der Omde konnte sich dieser Aufforderung nicht entziehen. Jeder im Dorf hatte das Recht auf ein Gespräch mit ihm, auch wenn es zu einem so unpassenden Augenblick war.
»Ich hoffe, du weißt, wie unhöflich es ist, mich am Abend vor der Hochzeit meines Sohnes aus seinem Haus zu holen«, krächzte er, doch El Bahay interessierte sein Jammern nicht. Kurze Zeit später erreichten sie das Haus des Omde und nahmen drinnen auf zwei Stühlen Platz.
»Wo ist sie?« El Bahays schwarze Augen durchbohrten ihn.
»Ich weiß nicht, wen du meinst. Wovon redest du?«
»Sollte dein Gehirn so löchrig sein, Mahir, dass du nicht weißt, wie viele Menschen in deinem Dorf sind?«
»Die Hochzeit bringt viele Menschen ins Dorf«, verteidigte sich Mahir Wassif und wich El Bahays Blick aus. »Wie soll ich da wissen, wer neu angekommen ist?«
»Ich rede nicht von einem Hochzeitsgast, sondern von der Touristin, die du hier gefangen hältst. Du scheinst dir nicht im Klaren zu sein, was für eine Strafe dich und die anderen erwartet, wenn man in Kairo von dieser Entführung erfährt.«
»Warum sollte man davon erfahren? Wir waren vorsichtig.«
»Vorsichtig! Dass ich nicht lache! In Kairo werden in irgendeinem Hotel zwei Ausländer vermisst, und die Polizei wird sehr schnell herausfinden, dass sie sich ein Auto gemietet haben und welche Route sie genommen haben.«
»Wir sind weit von der Straße nach Bahariya entfernt. Sie werden keine Spur von uns finden.«
»Und der Amerikaner, der sie begleitet hat? Was habt ihr mit ihm gemacht?«
Der Omde rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her.
»Der Mann hat sich gewehrt, dieser Dummkopf! Er schlug mit dem Schädel gegen einen Felsen und war tot. Sie haben ihn weit von der Straße entfernt in eine Felsspalte geworfen.«
El Bahay schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Ihr habt ihn in der Wüste zurückgelassen? Bist du völlig verrückt geworden, Mahir? Du willst der Omde dieses Dorfes sein und gefährdest alle mit deiner Dummheit.«
»Was hätten wir sonst tun sollen? Er war tot!«
Da packte El Bahay das Handgelenk des Omde. »Bring mich zu der Frau!«
31
Es war schon spät in der Nacht, als sich der Vorhang hinter der Holztür zu Karens Gefängnis hob und zwei Männer ins Zimmer traten. Der eine war ein ungefähr siebzigjähriger dunkel gekleideter Araber, von dem Karen vermutete, dass er eine Persönlichkeit des Dorfes war. Der andere trug eine strahlend weiße Galabiya und einen weißen Turban um den Kopf und hatte einen leicht ergrauten Bart. Mit einem schnellen
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