Das weiße Grab
dass Catherine nie angekommen sei. Acht Monate später wurde ihre Leiche dann unweit von Stevns gefunden.«
Konrad Simonsen gab Pauline Berg das Taschentuch mit einem kurzen, dankbaren Nicken zurück. Die Tränen waren versiegt, und er spürte deutlich, dass er das Schlimmste hinter sich hatte.
»Die Ermittlungen waren damals natürlich umfangreich, und schon bald deuteten einige schwerwiegende Indizien auf Catherines Vater. So fanden sich Fingerabdrücke seiner Hände auf der Tüte, mit der seine Tochter erstickt worden war, und zwar waren sie so plaziert, als hätte er ihren Kopf gehalten, als dieser zur Seite gekippt war. Außerdem konnte die Kriminaltechnik nachweisen, dass die Tüte von einer Rolle stammte, die wir in der Garage der Familie Thomsen gefunden haben. Des Weiteren ist Thomsen im März 1997 am Strand von Stevns gesehen worden, und zwar unweit der Stelle, an der Catherine später aufgefunden worden ist. Er hat seinerzeit gesagt, dass er unter dem Vorwand eines Umzugs telefonisch an diesen Ort gebeten worden sei. Angeblich sollte das entsprechende Haus nur über den Strand zu erreichen sein. Die anderen Indizien konnte er nicht glaubhaft entkräften.«
»Wie ist das mit diesem Telefonat, das sollte doch nachzuweisen sein, wenn es wirklich stattgefunden hat?«, unterbrach die Comtesse ihren Chef.
»Das wurde auch nachgewiesen, stammte aber von einem unbekannten Handy, und die Signale wurden von einem Sendemast in der Nähe von Carl Hennings Wohnort aufgefangen. Wir nahmen damals an, dass er sich selbst angerufen hat, konnten aber weder das Telefon noch das Gespräch nachweislich mit ihm in Zusammenhang bringen.«
»Schon, aber stellt das nicht die Schlussfolgerung, die wir eben getroffen haben, wieder in Frage? Das Material, das du da präsentierst, ist wirklich höchst belastend.«
»Ja, leider, aber es gab auch gewisse Sachverhalte, die wir damals unpassend fanden. Vor allem konnten wir einfach nicht verstehen, warum wir die Fingerabdrücke des Vaters auf der Plastiktüte, nicht aber auf dem Klebeband gefunden haben. Und dann war da noch der Fahrtenschreiber von Thomsens Umzugswagen, der anzeigte, dass das Fahrzeug an Catherines Todestag nicht in Stevns gewesen war. Es ist uns nie gelungen festzustellen, mit welchem Wagen er dorthin gefahren ist. Schließlich war das andere Auto der Familie in Jütland. Auch verstanden wir nicht, warum er die Nägel des Mädchens geschnitten hat. Sie waren nicht sonderlich lang, und laut Aussage seiner Frau hat er sich nie negativ über ihre Nägel geäußert. Es gab auch noch andere Ungereimtheiten, aber die könnt ihr selber nachlesen.«
Ein Kommissar in der ersten Reihe unterbrach ihn.
»Haben Sie nicht eben gesagt, dass er 1983 wegen Drogenhandels im Gefängnis war?«
»Stimmt. Amphetamin und Kokain, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.«
»Wie passt diese kriminelle Laufbahn denn mit den Zeugen Jehovas zusammen? Für mich klingt das nach einer höchst seltsamen Kombination.«
»In jungen Jahren arbeitete er als Fernfahrer, und aus dieser Zeit stammen auch die zwei Verurteilungen wegen Drogen. Erst später ist er dann seiner Frau begegnet und nach eigener Aussage bekehrt worden. Nach seiner Hochzeit 1986 gibt es keinerlei Anzeichen für irgendwelche kriminellen Handlungen.«
»Was ist mit Catherine Thomsens Alter? Das passt doch irgendwie nicht.«
»Catherine war seine leibliche Tochter, sie wurde bei der Hochzeit von Ingrid Thomsen adoptiert. Catherines Mutter ist bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als ihre Tochter noch klein war. Aber bitte, ich wollte heute ja keinen detaillierten Durchgang machen, das steht alles in den Akten.«
»Okay, ich war nur neugierig.«
Konrad Simonsen hatte Kraft genug für ein kleines Lächeln: »Keine schlechte Eigenschaft in diesem Job. Nun, zurück zu Carl Henning Thomsen. Die beiden wichtigsten Aspekte, die auf seine Unschuld schließen ließen, waren leider nicht zu beweisen, hingegen hatten wir, wie bereits gesagt, eine ganze Reihe von konkreten Indizien, die darauf hindeuteten, dass er diesen Mord begangen hatte. Was uns aber noch immer fehlte, war das Motiv. Wir wussten lediglich, dass Catherine ein großes Geheimnis vor ihren Eltern hatte. Sie war damals nämlich dabei, eine lesbische Beziehung einzugehen, die Identität der Frau konnten wir aber nie klären. Wir hatten deshalb die Vermutung, die Tochter hätte ihren Vater darüber informiert, woraufhin er sie möglicherweise aus religiösem
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