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Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
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Fanatismus umgebracht hat. Das Ganze war aber sehr schwammig und spekulativ, und auch zeitlich passte da vieles nicht recht zusammen. Eine andere Theorie war, dass die Ausbildung der Tochter der Religion der Familie ein Dorn im Auge war – die Zeugen Jehovas halten ja nicht viel von Ausbildung –, aber auch dieser Ansatz wirkte irgendwie falsch. Der andere Aspekt, nämlich ob nicht auch ein anderer Täter als der Vater in Frage käme, war noch weniger konkret als das fehlende Motiv, aber ihr seid ja vom Fach und wisst, wie schwer das wiegt. Carl Henning Thomsen beteuerte damals trotz seiner ungeheuren Verzweiflung wieder und wieder seine Unschuld. Ich weiß nicht, wie viele Stunden er alles in allem verhört worden ist, aber es waren viele, und nicht ein einziges Mal, nicht einmal einen kurzen Augenblick lang hat er dabei zu erkennen gegeben, dass er seine Tochter umgebracht hatte. Trotz all der Indizien und handfesten Beweise. Mein damaliger Chef, Kaspar Planck, war lange der Meinung, wir hätten den Falschen, eine Meinung, von der ich ihn bedauerlicherweise zu guter Letzt abgebracht habe. Er stand gefühlsmäßig auf der richtigen Seite, während ich all die guten Argumente hatte, was letztendlich natürlich schwerer wog. Das ist leider die Wahrheit. Erst in den letzten Tagen ist mir langsam bewusst geworden, dass ich wohl für den Rest meines Lebens damit klarkommen muss.«
    Zu seiner eigenen Überraschung brachte er den letzten Satz zustande, ohne ins Stottern zu geraten. Mit einem Mal fürchtete er, theatralisch zu sein – ein egozentrischer Narr, der es nicht ertrug, Fehler begangen zu haben, und der sich selbst mehr bedauerte als die Menschen, die Opfer seiner Unzulänglichkeit geworden waren.
    »Sollen wir eine Pause machen?«, fragte Arne Pedersen.
    Verwirrt sah Simonsen seinen Mitarbeiter an.
    »Entschuldige, was hast du gefragt?«
    »Ob wir eine Pause machen sollen.«
    »Ja, gleich, ich bin gleich fertig. Das Ende der Tragödie war also, dass wir Anklage gegen Carl Henning Thomsen erhoben, wegen Mordes an seiner Tochter. Während des Verfahrens bekam er einen Nervenzusammenbruch und wurde notfallmäßig ins Rigshospital verlegt, wo es ihm trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen gelang, sich aus einem Fenster im achten Stock zu stürzen. Das war im Oktober 1998 . Die Akte wurde danach geschlossen und der Fall archiviert. Zwei Jahre später gab es dann doch noch einen Nachtrag, nachdem während des Umbaus in Catherines früherer Wohnung hochmoderne Abhörvorrichtungen gefunden worden waren. Es wusste aber niemand, ob das etwas mit dem Mord an ihr zu tun hatte, und es hat auch niemand den Versuch unternommen, das herauszufinden. Habt ihr Fragen oder Kommentare?«
    Er schaute sich um. Alle schüttelten den Kopf.
    »Dann machen wir jetzt eine Pause, und anschließend wird dann Arne Pedersen übernehmen.«
    Konrad Simonsen und Arne Pedersen setzten sich gleich darauf zusammen.
    »Ich hoffe, das ist in Ordnung? Die Comtesse meinte, du könntest das sicher machen.«
    »Klar. Das übernehme ich gerne, ist ja auch kein Problem, jetzt, da wir unter uns sind.«
    »Ich bin ganz einfach müde. Die letzten Wochen haben mich gelehrt, dass ich ein bisschen mehr auf meinen Körper hören muss.«
    »Du musst dich nicht rechtfertigen.«
    »Wirkte das sehr theatralisch? Ich meine … das mit dem Vater … und meiner eigenen Rolle?«
    »Es wirkte sehr ehrlich, und glaub bloß nicht, dass nur dir das nahegeht. Ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber wir sollten heute neunzehn sein, anwesend sind aber nur sechzehn. Drei Kollegen, die wie du an dem Stevns-Fall gearbeitet haben, mussten vorher schon nach Hause gehen. Die haben den Druck gar nicht ausgehalten. Und Poul Troulsen ist spazieren gegangen, dem geht’s auch nicht gut.«
    »Es hat auf jeden Fall geholfen, mal darüber zu reden, das war die erste Hürde. Heute Nachmittag muss ich da noch einmal durch, aber das wird dann auch gehen. Dafür bin ich aber auch so kaputt wie ein Neunzigjähriger.«
    »Welch Wunder, so geht es uns allen.«
    »Ja, das glaube ich, und deshalb weiß ich es auch zu schätzen, dass du jetzt übernimmst. Das verschafft mir die Gelegenheit, einem gut versteckten Sofa für ein Stündchen oder etwas mehr einen Besuch abzustatten.«
    Arne Pedersen lächelte.
    »Ach, das Plätzchen kenne ich gut. Und ein paar andere auch, hoffentlich ist es frei. Soll ich nachher nach oben kommen und dich wecken?«
    »Das muss nicht sein, ich stelle mein Handy,

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