Das weiße Grab
prallte an Konrad Simonsen ab, und auch die Comtesse, die in diesem Moment den Raum betrat, schien nicht zum Scherzen aufgelegt zu sein. Arne Pedersen setzte seinen Bericht schnell fort: »Es handelt sich um einen Mann, der möglicherweise gemeinsam mit Catherine bei diesen Haustüraktionen unterwegs war, und er ist sich vollkommen sicher, dass er mit Andreas Falkenborg gesprochen hat. Nicht weil er sich an sein Gesicht erinnerte, sondern weil seine Kollegin ihn mit ins Treppenhaus des Hauses genommen hatte, in dem Andreas Falkenborg damals lebte. Er erinnerte sich deutlich an ein Bild, das draußen vor der Wohnungstür im Flur hing und das er sich lange angeschaut hat, während seine Kollegin mit dem Besitzer der Wohnung gesprochen hat. Er ist sich nicht mehr ganz sicher, wen er an diesem Tag begleitet hat. Vermutlich war es Catherine Thomsen.«
»Wer hängt denn Bilder ins Treppenhaus?«, fragte die Comtesse verwundert.
»Das war kein richtiges Bild, eher eine Art Dekoration, mit der er ein Fenster verkleidet hatte, das zu einem Badezimmer führte. Frag mich bloß nicht, warum es so ein Fenster überhaupt gibt. Irgendein Pferd war darauf zu sehen, einer der Männer hat sogar ein Foto davon gemacht, ein umsichtiger Mensch.«
»Können die anderen Zeugen Jehovas vielleicht bestätigen, dass sie nie in diesem Haus waren? Ich meine, so dass schlussendlich nur Catherine Thomsen übrig bleibt?«
»Wir arbeiten an der Sache, aber du darfst nicht vergessen, dass diese Leute jeden Tag unzählige Menschen besuchen. Und die Episode liegt ja mehr als zehn Jahre zurück.«
»Was ist mit dem Datum?«
»Das genaue Datum wissen wir nicht. Es muss aber in den ersten drei Juniwochen des Jahres 1996 gewesen sein, da ist er sich sicher.«
»Das heißt, mehr als sieben Monate vor ihrem Tod?«
»Ja, sieht so aus.«
»Zum Teufel noch mal!«, sagte die Comtesse verbissen.
»Das kannst du laut sagen, genau deshalb sind wir hier versammelt. Aber sag mir noch eins. Mir fehlen noch Angaben über Lebensgefährten, Liebschaften, Männer, Frauen, irgendetwas, was auch immer.«
Arne Pedersen schüttelte den Kopf.
»In dieser Richtung bin ich auf absolut nichts gestoßen, und er hat auch immer allein gewohnt, jedenfalls offiziell.«
Die Comtesse stimmte ihm zu.
»Stimmt, da habe ich auch nichts. Auf der Basis war er beliebt. Galt als hilfsbereit, war aber nicht sonderlich sozial veranlagt und hatte keine Geliebte, die wir kennen. Einige haben ihn als Sonderling in Erinnerung, aber da war er nicht der Einzige, und keiner, mit dem ich gesprochen habe, hat etwas gegen ihn vorgebracht. Alles in allem kann ich nicht viel über Andreas Falkenborg sagen, aber auf dieser Basis waren auch an die neunhundert Menschen, die immer wieder ausgetauscht wurden, so dass ich mir nicht annähernd sicher bin, schon alle meine Möglichkeiten ausgeschöpft zu haben. Vielleicht war er ja doch mit jemandem näher bekannt. Was Maryann Nygaard angeht, war das ein bisschen einfacher. Sie war eine Frau, und die waren so selten, dass sich die meisten an sie erinnern, erst recht bei ihrem Aussehen. Die Frage ist nur, ob diese Spur überhaupt noch relevant ist. Jetzt bist du an der Reihe, Konrad.«
Konrad Simonsen brummte abwesend, was die Comtesse nach kurzem Schweigen als Aufforderung deutete, weiterzumachen. Um ihnen einen Überblick zu geben, erzählte sie ihnen von dem Alltag auf der Basis Søndre Strømfjord Anfang der achtziger Jahre. Konrad Simonsen betrachtete ihre Bluse, während ihre Worte ihn überspülten. Er dachte, dass sie die sicher wieder in irgendeiner sauteuren Designerboutique gekauft hatte. Sie war aus Seide, und das hellgrüne und braune Muster erinnerte ihn an die Buchen im Frühling, wenn die jungen Triebe die alten vertrockneten Blätter verdrängten. Wieder fragte er sich, ob er wirklich in ihr Leben passte. Seine Gedanken hatten ihn weit weggeführt, er riss sich zusammen, kniff sich in den Arm und fand die Konzentration gerade noch rechtzeitig wieder, um der Comtesse eine einigermaßen passende Antwort zu geben, als sie fragte: »Was meinst du? Sollen wir morgen mit Andreas Falkenborg und Maryann Nygaard weitermachen?«
»Nein, die Basis lassen wir bis auf weiteres fallen. Da ist bestimmt nichts zu holen, außerdem können wir ja jederzeit wieder darauf zurückkommen, sollte sich doch noch etwas ergeben.«
»Okay, wenn du meinst.«
Vielleicht war in ihrer Stimme ein winziges Zögern, vielleicht war es aber auch seine jahrelange
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