Das weiße Grab
du gerne auf unsere Pensionskasse zurückgreifen, Hauptsache, dieser Kerl läuft nicht frei herum.«
»Es ist so unangenehm, dass er vollkommen normal aussieht. Und natürlich die Gesichter dieser Frauen in den Tüten. Was für eine schreckliche Art zu sterben, für so einen Psychopathen sollte es noch die Todesstrafe geben.«
Pauline Berg hatte sich, ohne zu zögern, auf dieses neue Thema gestürzt.
Poul Troulsen nickte, er verstand sie. Die Comtesse hingegen schüttelte den Kopf, sie wusste genau, wohin das führen würde, und sagte: »Und vermutlich auch Standgericht und Folter, wenn wir schon mal dabei sind. Ich meine, damit man schnell zu einem Geständnis kommt. Das ist bei unseren großen Alliierten im Moment ja auch wieder recht populär.«
Es war, als hätte sie auf einen Knopf gedrückt, aber damit hatte sie gerechnet. Arne Pedersen schüttelte den Kopf, und Poul Troulsen antwortete kurz angebunden: »Nun, wir haben ja auch nicht dreitausend Landsleute verloren, ehrlich gesagt verstehe ich gut, dass die Amerikaner bei den Hintermännern dieses Massakers nicht sonderlich auf juristische Spitzfindigkeiten achten.«
»Was du da als juristische Spitzfindigkeiten bezeichnest, sind für mich eher Menschenrechte.«
Pauline Berg richtete sich an die Comtesse: »Ich komme nicht ganz mit. Wovon redet ihr?«
»Wir reden über Folter, meine Liebe. Genauer gesagt, über das amerikanische
Rendition Program,
bei dem Foltermethoden im besten Managementstil an die Henker in der ganzen Welt ausgegeben worden sind. Misshandlung
by proxy,
na denn prost. Und glaub bloß nicht, dass Dänemark da nicht involviert ist. Der Flughafen in Kastrup hatte schon mehrmals Besuch von
The Torture Jet,
aber es ist politisch ja höchst inkorrekt, auf so etwas hinzuweisen. Die Folter wird übrigens nur bei mutmaßlichen und nie bei verurteilten Terroristen angewendet.«
Poul Troulsen zuckte provozierend mit den Schultern: »Wenn dadurch das Leben von Unschuldigen gerettet werden kann, raubt mir das nicht den Schlaf.«
Auch Konrad Simonsen schaltete sich jetzt ein: »Ich weiß, wie viele Hexen im 15 . und 16 . Jahrhundert hier in Dänemark verbrannt worden sind; alles in allem waren das etwa tausend. Das Interessante daran ist, dass sie fast alle schuldig waren, wobei die meisten ihre Vergehen erst gestanden haben, nachdem sie eine Weile auf der Folterbank gelegen hatten. Nein, nein, in Wahrheit ist Folter nicht nur zutiefst abscheulich, sondern auch kontraproduktiv. Man kann den Resultaten solcher Verhöre einfach nicht vertrauen.«
Arne Pedersen trank als Erster sein Bier aus. Die Diskussion war für seinen Geschmack etwas zu hitzig geworden. Versöhnlich sagte er, an die Comtesse und Konrad Simonsen gewandt: »Bei euch klingt das alles immer so richtig, manchmal wünschte ich mir, ich hätte eure Ethik, oder wie immer das heißt. Ich weiß aber auch, dass ich vor nichts zurückschrecken würde, sollte jemand meine Familie bedrohen.«
Er sah auf seine Uhr und fügte hinzu: »Die nächste Runde geht an mich, und danach gehe ich nach Hause.«
[home]
11
E s war nicht leicht, die Frau aufzuspüren, die vor fünfundzwanzig Jahren in der amerikanischen Militärbasis Søndre Strømfjord den Spitznamen Zwei Meter Liebe getragen hatte. Umso mehr erschien es der Comtesse wie eine Ironie des Schicksals, als sich, nachdem sie endlich über viele Umwege ihren richtigen Namen erfahren hatte, herausstellte, dass ebendiese Frau zwei Tage zuvor eine Mail an das Morddezernat geschickt und darauf hingewiesen hatte, dass sie möglicherweise Informationen über Maryann Nygaard habe, die für die Polizei von Interesse sein könnten. Natürlich gingen aus dieser Mail die Daten hervor, die sie in stundenlanger Kleinarbeit auf anderem Wege herausgefunden hatte. Der Name der Frau war Allinna Holmsgaard. Die Krankenschwester, die Pauline Berg auf der Fahrt von Roskilde nach Viby befragt hatte, lag mit ihrer Vermutung, dass diese Frau sicher etwas mit Büchern zu tun hatte, mehr als richtig, denn Allinna Holmsgaard war mittlerweile Professorin für Rhetorik an der Universität Kopenhagen.
Die Comtesse beantwortete die Mail und versuchte mehrfach die dort genannte Handynummer anzurufen, aber ohne Erfolg. Ein Anruf im Institut für Medienwissenschaften, mit dem sie eigentlich wenig Hoffnung verbunden hatte, da das Herbstsemester noch nicht begonnen hatte, erwies sich dann aber als Glücksgriff, da die freundliche Sekretärin ihr bestätigte, dass die
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