Das weisse Kaenguruh
doch Ehrensache, behauptete er. Er sei schließlich ein guter Vater, meinte er. Allerdings, so fuhr er fort, würde er die Sache lieber ohne Billy durchziehen. Nur er würde nach Bonn fahren, Hans Büttgen, der anständige Mann mit ordentlichem Doppelleben. Keiner sonst.
Dann drehte er sich zu der Losbudenverkäuferin, schaute ihr erst vielsagend in die Augen und dann eindeutig auf die Titten.
Und überhaupt, schwadronierte er weiter, sei ein Tag Kirmes sowieso schon mehr als genug. »Hauptgewinn hin, Hauptgewinn her. Spaß ist nicht alles im Leben, Peter. Merk dir das!«
Billy merkte sich kein Wort. Seine Gedanken waren einzig und allein auf den nächsten Tag gerichtet. »Noch einmal schlafen!« freute er sich. So gerne er den Bären sofort mit nach Hause genommen hätte, diese eine Nacht würde er auch noch überstehen. Und am Ende würde sich das Warten lohnen. Er würde seinen Hauptgewinn bekommen. Einen riesigenweißen Bären, den er spontan »Wumm« getauft hatte und der fortan sein zweites Lieblingsstofftier sein sollte. Zusammen mit »Josef«, einem uralten Affen, der braun war und aus Fell, und dem seit seiner Geburt das linke Auge an einem Faden aus dem Kopf hing.
Billy hatte Josef von Oma Elisabeth geschenkt bekommen, und er liebte ihn sehr. »Die beiden werden sich gut verstehen«, dachte er sich, als er an diesem Abend in den Federn lag und sich seine unmittelbare Zukunft ausmalte. »Und wir schlafen zu dritt in einem Bett«, dachte er weiter. »Wumm links, Josef rechts, und ich in der Mitte.« Bei diesem Gedanken seufzte Billy vor lauter Zufriedenheit. Dann nahm er Josef in den Arm, gab ihm einen Kuß auf das kranke Auge, drehte sich zur Seite und wurde endlich müde. Im nächsten Augenblick war er bereits eingeschlafen.
Bitte warten.
Am nächsten Morgen stand Billy bereits um halb sieben im Schlafzimmer seiner Eltern und konnte nicht mehr. Mit einem satten Knuff in den Rücken weckte er seinen Vater auf und fragte: »Fährst du jetzt los?«
»Du spinnst wohl«, antwortete sein Vater. »Es ist ja noch mitten in der Nacht. Und Sonntag ist es auch noch. Also raus hier und zwar zack-zack.« Dann warf er sich auf die andere Seite seiner Betthälfte, zog sich die Decke über den Kopf, grunzte übellaunig ins Kissen und kümmerte sich nicht mehr. Es folgte eine harte Geduldsprobe. Von Billys Standpunkt aus lief alles furchtbar zäh und ging ihm viel zu langsam voran. Sein Vater hatte nämlich beschlossen, erst einmal ordentlich auszuschlafen, danach ausgiebig zu frühstücken, in der Zeit bis zum Mittagessen noch kurz die Bild am Sonntag zu lesen, um schließlich erst nach dem Kaffee und zwei Stück Kuchen in seinen schwarzen, stolzen und blitzsauberen FordGranada zu steigen, der ein Kombi war, 2,8 Liter Hubraum hatte und als Ghia daherkam.
Billy wußte genau, daß die ganze Aktion für seinen Vater im Grunde in gut zwei Stunden zu schaffen war. Trotzdem dauerte es bis nach der Tagesschau, bis das Schnaufen des Granadas vor dem Haus in der Lohmarerstraße zu hören war. Hans Büttgen hatte ein wenig getrödelt. Zwangsläufig. Bevor er es in den Glückshafen schaffte, steuerte er nämlich erst einmal den Bierstand an, an dem Sigrid arbeitete, die süße Sauerländerin vom Vortag. Das war er ihr und vor allem sich selbst schuldig. Er traf sie an, gab sich erneut sehr gut gelaunt, großzügig und interessiert, und gönnte sich erst mal was. Und das dauerte. Wenn sich das Leben um den Alkohol drehte, war Hans der Mann und dabei in bloody good shape. Er war einer der gesegneten Menschen, die durch das Trinken zwar schnell fröhlich wurden, aber nur langsam richtig besoffen, weil sie erstens einiges gewöhnt waren und zweitens einfach wußten, wie es ging. Was kein Wunder war. Beim Thema Trinken mußte sich die Familie Büttgen noch nie verstecken. Vor niemandem. Da hatte man seit Generationen einen genetischen Vorsprung.
Billy hatte sich die endlose Zeit des Wartens zunächst damit vertrieben, ein Begrüßungsschild für Wumm, den Bär, zu basteln. Dazu schnitt er aus einem Pappkarton bierdeckelgroße Buchstaben aus und bemalte sie in allen Farben. Danach wurde jeder Buchstabe zweimal gelocht. Viermal ein »M«, je zweimal ein »W« und ein »L«, sowie jeweils einmal »I«, »K«, »N«, »O«, »E« und »U«. Das waren die Buchstaben, die es herzustellen galt, hatte er sich vorher ausgerechnet, und es war eine ganz schöne Arbeit gewesen. Als er mit dem Ausschneiden, Ausmalen und Lochen fertig war,
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