Das weisse Kaenguruh
sich daran hielt. Und um nichts anderes ging es im Moment. Es ging um seine Beziehung und um seine Liebe, und er mußte sie überraschen. Sie hatte sich damals in ihn verliebt, weil er sie überrascht hatte, und sie würde sich wieder in ihn verlieben, wenn ihm das noch einmal gelänge. Davon war er überzeugt. Außerdem war es seine einzige Chance. Er hatte da nämlich so was im Urin.
Das Gespräch mit ihr ließ ihn nicht mehr in Ruhe und gab Anlaß zu großer Sorge. Den ganzen Tag waren seine Gedanken ausschließlich um zwei Fragen geschlichen. Was zum Teufel meinte Annabelle damit, als sie sagte, bei ihr habe sich viel getan? Und vor allem, welche Rolle spielte dieser Pierre dabei? Billys Phantasie war mit diesen beiden Fragen durchgegangen, und in seinem schlimmsten Moment sah er einen steinreichen, blendend aussehenden, sexbesessenen französischen Chefarzt, der es seiner Freundin zwischen Champagner und Austern immer wieder mächtig besorgte. In einer Luxussuite des besten Hotels von Nizza, im Himmelbett mit Satinbettwäsche und von allen Seiten. Die ganze Nacht hindurch, fünf Tage lang und mit allen Schweinereien, die es gab. Am Ende vielleicht sogar mit Leidenschaft und frisch verliebt dabei. Allein die Vorstellung machte Billy wahnsinnig.
Auf der anderen Seite war es genau diese Vorstellung, die ihm keine Wahl ließ. Vielleicht war seine Eifersucht ja auch nur ein Schreckgespenst seiner Phantasie. Vielleicht fuhr Annabelle mit diesem Pierre tatsächlich nur auf einen Kongreß, und nichts weiter. Sie hatte Billy um eine Woche gebeten, und er hatte eigentlich keinen Grund, ihr zu mißtrauen. Sie hatten schließlich einen Deal, versuchte er sich zu beruhigen.
Er
war die letzten Monate unerträglich gewesen und trotzdem war
sie
immer fair geblieben. Da konnte er natürlich nicht erwarten,daß er sie mit einem Fingerschnipsen in ihre Beziehung zurückholen können würde. Ein Trinker als Freund ist kein Hypnosezustand.
Er war also aus Gründen der körperlichen und seelischen Reinigung in die Eifel gefahren. Eine Kur, das war sein Plan. Er hatte vielleicht nur noch ein paar Tage, dann würden sie einander gegenüberstehen. Zum ersten Mal seit einer ganzen Ewigkeit. Ein einziger Augenblick könnte alles entscheiden, und dafür mußte er unbedingt in Topform sein. Absolut trocken, zudem am besten auch noch rauchfrei, mit blendender Laune und hellwach. Und nicht nackt. Jedenfalls nicht sofort. Später dann gerne. Wenn es dunkel genug war. Aber bitte nicht bei Tageslicht. Da hätte er derzeit nackt nämlich nichts gerissen. Durch seinen selbstzerstörerischen Lebenswandel hatte seine Figur in der letzten Zeit erheblich an Schärfe und Kontur verloren. Da half jetzt auch keine Blitzkur mehr.
Aber es ging ja auch mehr um die innere Haltung, dachte er sich dann. Und genau damit wollte er sie überraschen. Wille, eiserne Disziplin und eine Vision für die kommende Zeit waren die Argumente, mit denen er es versuchen wollte. Man überrascht einen anderen Menschen eben am effektivsten mit Sachen, von denen man selber überrascht ist. Selbst, wenn es Annabelle hinter seinem Rücken tatsächlich mit diesem Pierre trieb, wäre noch längst nicht alles verloren. Dann würde er nämlich um sie kämpfen, nahm er sich vor und hißte in seinem Rausch schon mal die Kriegsflagge der Liebe. Die Eifersucht ließ ihn da unverhofft angriffslustig werden. Gefährlich angriffslustig.
Gegen eins machte sich Billy zur Sicherheit doch noch ein weiteres Bier auf. Diesmal aber wirklich das letzte. Es war eh schon sein neuntes. Dazu rauchte er die letzten drei Zigaretten und legte sich schlafen. Mit locker zwei Promille im Blut und einer bis dahin nicht gekannten Wut im Bauch. »Daswollen wir ja erst mal sehen!« sagte er zu sich selbst und warf sich auf die Seite. Dann fielen ihm die Augen zu und alles drehte sich.
Betty Ford.
Am nächsten Morgen sah die Welt nicht anders aus. Die Eifersucht war mit Billy aufgewacht, und Lust auf eine Zigarette hatte er auch schon wieder. Außerdem hatte er einen Schädel und schlechte Laune. Eine Kippe, ein Kaffee und möglichst schnell ein kleiner Aperitif, um dem Tag erst mal »Hallo« zu sagen, wären bis gestern auf diesen Zustand seine Topantworten gewesen. Aber damit war es nun vorbei. Es war Dienstag um halb elf, und Billy hatte soeben mit seiner Kur begonnen. »Aufgestanden und ab zur Morgengymnastik, aber zack, zack!« schrie ihn sein Verstand an wie die Bundeswehr, und es stellte sich nicht
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