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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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alles eine Mafia. Und da fragst du mich, ob ich Skrupel habe? Das ist ja wohl der Witz. Erst mal sollen die da oben Skrupel haben. Die verarschen uns doch in einer Tour. Ich mein, ich habe zwar nicht viel Ahnung von dem ganzen Kram, aber da stinkt es doch überall. Und zwar gewaltig, oder etwa nicht?«
    Die Frage war rein rhetorisch. Billy hatte nicht einmal die Zeit, Luft zu schnappen, da ging es auch schon weiter. Der Euro legte noch mal mächtig nach. Der Arbeitersohn ging mit ihm durch.
    »Und mit dem Schröder ist es auch nicht besser geworden. Was hat der nicht alles versprochen. Umverteilung und der ganze Scheiß. Deswegen haben ihn doch alle gewählt. Wegen der Umverteilung. Da haben die Menschen drauf gehofft, verstehst du? Vertraut haben sie dem. Und was ist draus geworden? Bis heute ja wohl nix. Nicht mal ein Furz, also komm du mir nicht mit irgendeinem scheiß schlechten Gewissen. Ich habe nämlich keins. Und, hey, sieh es vielleicht mal so – im Grunde mach ich doch nur das, was unsere Regierung versprochen hat. Ich verteile um! Einer muß ja mal damit anfangen.«
    An dieser Stelle machte der Euro eine Pause und fing an zu grinsen.
    »Entschuldigung?« sagte Billy nach einem Moment. »Das ist ja wohl hoffentlich nicht dein Ernst. Ich meine, was passiert denn, wenn alle so denken? Du hast vielleicht recht, daß bei uns was schief läuft. Aber das ist noch lange kein Grund, hier Wilden Westen zu spielen. Wir sind immer noch in Deutschland und nicht in fucking Amerika.«
    Das war natürlich richtig, der Euro dafür aber leider der falsche Ansprechpartner.
    »Jetzt sag ich dir mal was, Herr Diplomkaufmann mit dem fetten Erbe von der Oma«, antwortete er und fand es plötzlich gar nicht mehr so komisch. »Mein Vater hat die Gicht und einen kaputten Rücken, ja? Der ist erst 61 und kann seit drei Jahren keinen Finger mehr rühren. Der ist fertig. Der Job hat ihn gekillt. Hängt den ganzen Tag nur noch zu Hause rum, ist depressiv und steht im Weg. Und weißt du, was der mittlerweile sagt? Zwei Jahre hat er sich den Schröder angeschaut und dann ist er draufgekommen. Jedesmal, wenn ich ihn besuche, drückt er sie mir rein, seine neue Lebensweisheit. Da schaut er mich dann ganz wichtig an und sagt: ›Eins merkst dir, Bub. Ab jetzt ist jeder Arbeiter sein eigener Robin Hood.‹ Ich meine, der ist treues SP D-Mitglied , verstehst du? Seit fast 40 Jahren. Selbst der hat die Schnauze voll. Und jetzt bist du dran, Arschloch.«
    Wenn man Billy gefragt hätte, hätte er sich selbst wohl als »Linken« bezeichnet. Da konnte das, was der Euro gerade alles gesagt hatte, nicht spurlos an seinem politischen Herzen vorbeigehen. Natürlich, das war wirr argumentiert, zu kurz geschlossen, und in der Sache auch noch dreist bigott. Trotzdem, dran war da schon was. Wieviel, darüber sollte man sich wahrscheinlich mal streiten. Aber es mußte schon ein großes Schwein sein, wer nicht zugab, daß in dieser Welt einiges in die absolut falsche Richtung lief. Und das nicht erst seit gestern.
    Konnte man dem Euro seine krummen Dinger also übelnehmen?Und wenn ja, konnte man es wirklich? Das waren die beiden Fragen, die sich Billy stellte und deren Beantwortung ihm nicht gerade leichtfiel. Am Ende entschied er sich dann für ein hauchdünnes salomonisches »Eigentlich schon, aber irgendwie auch eher nein.« Denn Gauner hin oder her, verglichen mit dem, was in dieser kapitalverbrecherischen Welt so abgeht, jeden Tag aufs neue und jeden Tag mehr, war der Euro wahrscheinlich sogar einer der besten Gauner, die es gab. Ja, vielleicht war er im internationalen Vergleich nicht einmal ein Gauner, sondern eher eine Art moderner Hühnerdieb. Harmlos, im Grunde. Ein kleiner Wühler im Sumpf der oberflächlichen Illegalität. Ein frecher Spaßkrimineller mit ein paar kruden Ideen. Trotz allem aber wenigstens noch einer mit Moral. Seiner ganz eigenen zwar, aber immerhin. Wie viele Gauner können heute denn noch von sich behaupten, sie hätten überhaupt eine? Nona!

Träume vor Recht.
    Billys Urteil fiel also milde aus. Für diese Entscheidung war übrigens noch ein weiteres Detail von erheblicher Bedeutung. Der Euro war inzwischen ein besserer Mensch geworden, wie Billy mit großer Zufriedenheit festgestellt hatte. Er hatte seine Gier bezwungen.
    »Endgültig klar wurde mir das in Thailand«, hatte er Billy kurz vor Greding überschwenglich erklärt. Und überraschend selig dazu. Denn hatte er als kleiner Junge aus Giesing noch der reichste Mann

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