Das weisse Kaenguruh
der Welt werden wollen, so hätte ihn heute schon ein ganz kleiner Krümel vom Kuchen glücklich gemacht.
»Ich sitze mit Kim am Strand, und ich habe dir ja schon gesagt, ich finde die Frau richtig scharf, verstehst du? Ich steh auf sie. Total. Wir haben sogar schon über Kinder gesprochen, das muß man sich mal vorstellen. Am Strand war auf jedenFall kein Mensch. Nur wir zwei. Und wir haben einfach in die Sonne geschaut. Ewig. Und dann ›Paff!‹ hatte ich es. Das war der Wahnsinn. Auf einmal habe ich gewußt, wofür ich das hier eigentlich mache. Plötzlich hatte ich ein Ziel, weißt du?«
»Und wie sieht dieses Ziel bitteschön aus?« wollte Billy wissen. »Stammtischbruder vom Staatsanwalt?«
»Eine halbe Million«, konterte der Euro und strahlte dabei. »Schwarzgeld, versteht sich. Mehr brauche ich nicht. Eine scheiß halbe Million, und ich bin fertig mit dem ganzen Quatsch, das schwör ich dir. Dann mach ich Schluß. Dann werde ich seriös, kauf mir in Thailand ein Stückchen Strand und mache mit Kim ein Hotel auf. Das habe ich schließlich gelernt.«
Die Idee mit dem Hotel hatte er selbst. Die Idee mit dem Strand kam von Kim. »Schatz«, hatte sie in den Ferien an besagtem Abend zu ihm gesagt. »Kauf mir hier ein Grundstück, bau mir ein Haus drauf, und ich gehe für den Rest meines Lebens mit dir ins Bett.« Sie wußte, daß der Euro auf solche Sprüche stand. Und sie wußte, daß er ein Mann war, der für so etwas den Arsch in der Hose hatte.
Eine schlappe halbe Million für ein süßes Leben im Strandhotel, mit Sand zwischen den Zehen und einem unverbaubaren Blick aufs Meer bis ans Ende der Zeit. Darum ging es dem Euro also mittlerweile. Die Gier des ewig zu kurz Gekommenen war dank Kim der Vernunft des Träumers gewichen. Ein einfaches Strandhotel, nichts weiter. Das war seit Thailand die erwachsen gewordene Vorstellung seines Glücks. Und Billy beneidete ihn darum. Sehnsüchtig und fast sentimental. Billy hätte auch gerne ein Ziel gehabt, für das es sich zu leben und zu träumen lohnte.
Es bestand kein Zweifel, daß es der Euro ernst meinte, mit seinem Strandhotel. Sicherlich, auch eine halbe Million ist für den Proleten ein weiter Weg. Aber wenn man ihm tatsächlichdiese halbe Million gegeben hätte, er wäre weg gewesen und hätte es getan. Auf der Stelle und kein Zweifel. Er hätte sein Strandhotel eröffnet. Mit Kim, der ersten Frau, die er wirklich liebte. Und bei diesen Aussichten war Billys Neid natürlich verständlich. Im Gegensatz zum Euro hätte Billy selbst eine ganze Million nicht geholfen. Für Menschen ohne echte Leidenschaft reicht wahrscheinlich nicht mal eine Trilliarde zum Glücklichsein.
Kelle kurz vor Ingolstadt.
Seitdem sie das Altmühltal hinter sich gelassen hatten, war es eine Zeitlang selten still zwischen Billy und dem Euro. Billy hatte seinen Missionierungsversuch in Sachen Joints irgendwann beendet und fortan den Mund gehalten. Es war ihm schlicht zu blöd. Wenn der Euro so stur war, dann sollte er halt eine aufs Maul kriegen. Ihm egal. Mehr als warnen konnte er ihn nicht. Er war nicht seine Mutter. Und damit war das Thema durch.
An ihrem sonst guten Verhältnis sollte die kleine Meinungsverschiedenheit natürlich bitte nichts ändern. Schwachsinnig hin, schwachsinnig her, der Euro war schon in Ordnung. Das war für Billy beschlossene Sache. Wiedersehen in München garantiert. Gerne auf ein Bier oder zwei. Allerdings ohne jede Hektik. Erst mal ging es für ihn nämlich um etwas anders als den Aufbau eines neuen Freundeskreises in fremder Stadt.
Sie steuerten gerade auf Ingolstadt zu, und danach dauerte es nicht mehr lang. Wenn man an Ingolstadt vorbei ist, ist man ja praktisch schon in München. Und Grund zum Rausfahren gab es in Ingolstadt eigentlich keinen. Jedenfalls für Billy nicht. Zu Audi nach Ingolstadt führte für ihn kein Weg. Da war München eindeutig die bessere Wahl. Im Vergleich zu Ingolstadt war München Rio.
Ein Blick aus dem Fenster reichte, um Billy in diesem Gefühlzu bestärken. Schon seit einigen Kilometern war ihm aufgefallen, daß sich der prozentuale Anteil von Audis auf der Autobahn fast unerträglich erhöht hatte, je näher sie an Ingolstadt herankamen. Aber das, was er jetzt sah, ging eindeutig einen Schritt zu weit. Denn als wollte ihn das Schicksal ärgern, tauchte links neben ihm plötzlich nicht nur ein Audi auf, sondern noch dazu ein bis zur Schmerzgrenze aufgemotztes Exemplar. Der Audi war ein A4, und er zerstörte einmal mehr
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