Das Weisse Kleid Des Todes
Die können ihm unmöglich Trunkenheit am Steuer nachweisen, wo jetzt –«
»Hier geht es nicht um juristische Spitzfindigkeiten, Karen, es geht um das Geständnis, dass Sie etwas falsch gemacht haben und es wieder gutmachen wollen. Um Geständnis und Reue.« Sie stützte ihre Ellbogen auf die Knie. »Weil Sie moralisch und emotional mit dieser Lüge auf dem Gewissen nicht weitermachen können. Und weil, rein praktisch betrachtet, Ihr Mann als Mörder dastehen wird, wenn Sie diese Aussage nicht rechtzeitig korrigieren und zugeben, dass er damals betrunken am Steuer saß.«
Karen drückte sich ihre Handfläche gegen die Stirn, sodass ihr Gesicht vor Clares Blick verborgen war. »Es bestehen gute Chancen, dass man es nie herausfindet«, sagte sie nachdenklich.
Clare explodierte regelrecht auf ihrem Sofa. »Es bestehen gar keine Chancen, Karen, wenn nämlich Sie es nicht Chief Van Alstyne erzählen, dann tue ich es!«
»Das dürfen Sie nicht!«
»Ich darf ihm nichts von diesem Gespräch sagen, ja. Aber ich darf ihm durchaus erzählen, dass Ms. Dunkling vom Jugendamt mich anrief, weil Ihr Mann am Mittwochabend bei Codys Pflegemutter war. Und ich darf ihm erzählen, dass laut Aussage von Deborah McDonald Geoff sehr wütend gewesen ist und eine Fahne hatte.«
Erschöpft sank Clare wieder auf das Sofa zurück. »Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen bei dem Gespräch mit der Polizei zu helfen. Ich werde tun, was ich kann, um Sie bei Codys Adoption zu unterstützen. Aber ich werde Ihretwegen keine Zugeständnisse bei der Wahrheit machen. Ich werde mich Ihretwegen nicht der Suche nach Katies Mörder in den Weg stellen. Das sind wir dem Mädchen schuldig. Wir alle sind ihr das schuldig.«
»Sie haben Glück, er ist da. Fünf Minuten später, und Sie hätten ihn verpasst.« Harlene drückte auf die Taste der Sprechanlage ihres schweren, lakritzfarbenen Telefons. »Chief? Hier ist Reverend Clare für Sie. Und Karen Burns.«
Mit einem Knall ging die Tür zu seinem Büro auf, und der Polizeichef kam heraus. Sein Blick huschte einmal zwischen Clare und Karen hin und her, ehe er an Mrs. Burns hängenblieb. »Was kann ich für Sie tun, Ladys?«
Plötzlich wurde Clare der ungezwungene Stil ihrer Begleiterin bewusst. Neben Karens gut sitzenden, modischen Schurwolleteilen und ihrer Hundert-Dollar-Frisur fühlte sie sich wie eine Vogelscheuche. Was bescheuert war. Als käme es ihr aufs Äußere an! Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr und zog ihren bauschigen, ausgewaschenen Pulli etwas nach unten, sodass ihr Priesterkragen mehr hervortrat.
»Mrs. Burns?«, sagte Russ. »Reverend Fergusson?«
Karen sah unbehaglich zu Clare. »Ich … äh … ich wollte eigentlich noch auf meinen Mann warten, aber er wird durch eine Zeugenaussage festgehalten …«
Russ legte den Kopf ein wenig schief. Seine Augen verschmälerten sich nachdenklich. »Warum kommen Sie nicht mit ins Vernehmungszimmer. Dort können wir uns ungestört unterhalten.«
Karen nickte. »Clare, bleiben Sie bei mir?«
»Natürlich.«
Während er für Karen einen Stuhl heranzog, bedachte Russ die Pastorin mit einem Blick, der fragte, was, zum Teufel, hier los war. Clare versuchte, ermunternd die Brauen hochzuziehen. Er verdrehte die Augen, dann schritt er durch den Raum und setzte sich Karen gegenüber. Auch Clare nahm Platz.
»Was dagegen, wenn ich dieses Gespräch aufzeichne? Ich hasse es, wenn es später Missverständnisse gibt, nur weil man sich unterschiedlich erinnert.« Er legte seine Hand auf einen billigen Kassettenrekorder.
Karen runzelte die Stirn. »Solange Sie klarstellen, dass ich ohne Anwalt spreche.«
»Oh? Brauchen Sie denn einen?«
Karen errötete. »Sie sagen es ja selbst: Auch ich hasse spätere Missverständnisse.«
Russ nickte und schaltete das Tonband ein. »Hier Chief Van Alstyne, Anhörung von Karen Burns.« Er warf einen Blick auf Clare. »In Begleitung ihrer Seelsorgerin, Reverend Clare Fergusson. Mrs. Burns spricht ohne juristischen Vertreter.« Er sah Karen an. Sie nickte. »Datum: Freitag, zehnter Dezember; Uhrzeit …« Er sah auf seine Armbanduhr. »Achtzehn Uhr.«
Karen holte tief Luft und begann zu sprechen. Clare hörte zu. Die Anwältin berichtete ruhig und geordnet von den Ereignissen am Mittwochabend. Clare stützte ihr Kinn auf die Hand. Karens Souveränität überraschte sie. Sie musste vor Gericht eine dynamische Verteidigerin sein. Russ hingegen schien alles andere als beeindruckt. Eine Hand auf dem Rekorder,
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