Das Weisse Kleid Des Todes
würden.
Sie stellte den Kaffee auf einen gehäkelten Untersetzer. »Vielen Dank, Deborah, dass Sie mich Cody haben anschauen lassen, und auch für das Schwätzchen.« Sie stand auf. »Ich würde gern noch einmal einen Blick hineinwerfen, falls Sie nichts dagegen haben.«
Deborah McDonald erhob sich ebenfalls und sammelte die Tassen ein. »Aber nein. Ich freue mich über Gesellschaft, wie gesagt.«
Sie gingen beide in die Küche. »Ich verspreche Ihnen, ich werde die Burns aufsuchen und Ihre Bedenken zur Sprache bringen.«
Die Pflegemutter nahm Clares Mantel vom Garderobenhaken. »Dafür bin ich Ihnen dankbar. So muss ich nicht erst übers Jugendamt gehen und alles amtlich machen. Ich bin sicher, das sind absolut nette Menschen, aber nur schrecklich ungeduldig wegen ihrem Baby. Ich habe das schon öfter erlebt. Auf ein Baby warten zu müssen, wenn man selbst keines bekommen kann, das macht die Leute manchmal ein bisschen verrückt.«
Clare musste drei Mal um den Block fahren, bevor sie eine Parklücke fand. Anscheinend feierten die Boutiquenbesitzer an diesem Ende der Main Street ein frohes Weihnachtsfest. Ein paar Straßen weiter wäre mühelos ein Parkplatz zu finden gewesen, aber bisher hatte Clare die Gelegenheit gefehlt, sich nach ein paar neuen Stiefeln umzusehen, und ihre wildledernen hatten schon mehr als genug Schnee und Salz abbekommen.
Die Empfangssekretärin der Burns blickte erschrocken auf, als Clare durch die Treppenhaustür hereinkam.
»Äh … kann ich Ihnen helfen?«
»Ja. Ich bin Clare Fergusson. Ich muss dringend mit Mr. Burns sprechen, sofort. Oder mit Mrs. Burns, falls er unabkömmlich ist.« Sie öffnete den Reißverschluss und ließ ihre Jacke auf die asymmetrisch gestreifte Couch fallen.
»Tut mir leid. Mr. Burns ist den ganzen Nachmittag im Gericht, und Mrs. Burns macht heute Home-Office. Ich könnte Ihnen für morgen einen Termin geben …?«
»Oh« – Clare verbiss sich das Wort, das ihr schon auf der Zunge lag – »Mist!« Sie schnappte sich ihre Jacke. »Nein, danke. Dann versuch ich’s bei Mrs. Burns zu Hause.«
Auf der Fahrt überlegte Clare, was sie sagen könnte. Karen, hat Ihr Mann Darrell McWhorter erschossen? Oder vielleicht: Karen, ist Ihr Mann der Vater eines Kindes und hat die Sache zu vertuschen versucht, indem er es vor der Kirchentür aussetzte? Und als das schief ging – hat er da angefangen, die Mitwisser der Reihe nach umzubringen? »Oh, dann erschieß doch jetzt mich «, stöhnte Clare.
Die Burns wohnten in einem Backsteinhaus neoitalienischen Stils. Es hatte ein Meter fünfzig hohe Fenster und eine Kuppel, die wahrscheinlich einen Ausblick auf die gesamte Stadt bot. Mit hölzernen Früchten geschmückte Kränze hingen an der getäfelten Flügeltür. Am unteren Ende der langen Zufahrt, neben der Hausecke und einer separaten Garage, entdeckte Clare den Hintereingang.
Karen Burns öffnete beim zweiten Klingeln. »Reverend Fergusson? Was führt Sie denn hierher?«
»Nun ja, ich –« Clare trat ihre Stiefel auf der Fußmatte ab.
»Bitte kommen Sie doch herein. Weshalb hier in der Kälte herumstehen?«
Clare drängte sich in den schmalen Flur voller Stiefel, aufgehängter Jacken, Mäntel und Regale mit Hüten und Handschuhen. Sie deponierte ihren Parka, um Karen in die Küche zu folgen.
»Geht es um die Briefkampagne? Ich habe ein paar wunderbare Schreiben und Anrufe erhalten. Mrs. Strathclyde sagt, sie hätte sich sogar telefonisch bei unserem Kongressabgeordneten beschwert. Ist das zu glauben?« Karen führte Clare durch eine Küche mit hoher Decke und einer Arbeitsplatte aus Granit in ein kleines Wohn-und Studierzimmer, das in Weinrot und Waldgrün gehalten war. Sie wies zu den verglasten Bücherschränken voll juristischer Fachliteratur und dem Computer in der Mitte eines breiten Mahagoni-Schreibtischs. »Mein häusliches Büro. Ich verbringe hier ungefähr drei Viertel meiner Arbeitszeit. Wenn wir Cody adoptieren, kann ich ohne einschneidende Veränderungen auf eine Zwanzig-Stunden-Woche runtergehen.« Sie deutete auf ein kleines Sofa mit Tapisseriebezug.
Clare setzte sich und atmete tief durch. »Karen, ich bin nicht wegen der Briefe hier.«
Karen ließ sich elegant in einen grünen Ledersessel sinken. »So?«
»Ich weiß, die Polizei hat Sie schon über den Abend von Darrell McWhorters Ermordung befragt. Sie behaupten beide, Sie seien unmittelbar von der Arbeit nach Hause gefahren.«
»Behaupten?«
Clare beugte sich vor und sah der anderen
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