Das Weisse Kleid Des Todes
glaub nicht, dass ich Katie je mit ’nem Typen gesehen habe. Verstehen Sie? Die war … nur auf eins fixiert: Wissen in sich reinfressen.«
»Gerade hab ich der Frau Pastorin erzählt, ich konnt’s gar nicht so richtig fassen, dass sie ’n Baby bekommen hatte.«
»O ja«, bekräftigte Ebony, während sie Clare das Foto zurückgab. »Hab ich mir’s doch gedacht: Die nimmt zu. Wir haben nämlich alle über das Essen gejammert – fünfzehn Kilo mehr, wenn man sich nicht mehr bei Muttern ernährt. Die meisten von uns essen in der Mensa, und, echt, das Zeug ist voll ätzend für die Figur.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte Clare lächelnd. »Hören Sie, ich habe ein Jahrbuch von Katies High School unten hingelegt. Darin sind noch mehr Fotos von dem Jungen – er heißt Wes. Hat sie diesen Namen jemals erwähnt?«
Ebony und Emily sahen einander an.
»Haben Sie den Namen schon mal gehört?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Würden Sie sich bitte einmal das Jahrbuch anschauen? Nur zur Sicherheit.«
Das Wohnzimmer der Hausgemeinschaft war eine fröhliche Bude, eingerichtet mit ausrangierten Familiensofas, Chefsesseln und Obstkisten, die als Sitzgelegenheiten dienten, einem Kaffeetisch, der 1972 das Neueste an mediterranem Chic gewesen sein musste, sowie den allgegenwärtigen Regalen aus Schamottesteinen und Brettern. Die Mädchen nahmen auf dem Sofa Platz, während Clare das Jahrbuch vom Kaffeetisch holte.
»Das hier ist sein Foto aus der Abschlussklasse.« Wes war ein gut aussehender Junge, athletisch und mit kantigem Kinn, eine jugendliche Ausgabe seines Vaters.
»Was’n das für ’n Haarschnitt – Skinhead?«
»Nein, er ist auf der Militärakademie.«
»Da hat er aber früh mit diesem Stoppelschnitt angefangen. Nein, nie gesehen den Typen.« Ebony blätterte weiter. »Da ist Katie.« Sie las die Bildunterschrift. »›State University New York, Albany. Lieblingserinnerung an Millers Kill High: Spendensammlerin für eine Wäsche des Unterstufenbusses und Mr. Delogues Klasse. Zitat: Ich glaub, es geht, ich glaub, es geht.‹« Sie blätterte weiter. »Mann, ich wusste ja, dass sie aus ’ner Kleinstadt kommt. Sieh sich einer mal die Leute da an. Was ist? Für Schwarze kein Zutritt in Millers Kill?«
»Ebony!«, quietschte Emily.
Clare lächelte schief. »Sagen wir einfach: Vielfalt ist nicht gerade die Stärke dieser Stadt.«
»Aber echt, hey, Em. Ist das nicht die, die Katie Anfang des Jahres besucht hat?«
»Was? Wer?« Clare beugte sich über den Kaffeetisch.
»Die Blonde da, die sich so großtut. Weißt du noch, Em?«
Es war eine Seite mit Schnappschüssen. Ebony hatte ihren Finger auf eine blonde Magazinschönheit mit makelloser Haut und figurbetontem Batikkleid gelegt.
»Alyson Shattham war bei Katie zu Besuch?« Clare blinzelte verblüfft.
»Das war kein Freundschaftsbesuch«, erklärte Emily. »Das Weib war echt bescheuert.«
»Sie hatte irgendein Problem mit Katie. Oder besser gesagt: mit uns allen. Hat sich aufgespielt, als würde sie Lavendelseife scheißen.« Ebony biss sich auf die Lippen und sah zu Clare. »Oh. Sorry, Reverend. Hab’s vergessen.«
»Macht nichts. Erzählt mir, woran ihr euch erinnert.«
»Diese Tussi wollte mit Katie reden. Ist ganz schön pampig gewesen. Sie sind zum Reden in die Küche und haben die Tür zugemacht.«
»Die wollte sich Katie eindeutig vorknöpfen. Aber Katie wusste sich schon zu wehren. Ich weiß nicht, wie’s weiterging, als sie dann in der Küche waren, aber Blondie ist hier raus wie ’n begossener Pudel.«
»Hat Katie euch je erzählt, worum es ging?«
»Nein. Sie war ziemlich zugeknöpft, wenn ihr was zu schaffen machte. Wenn man sie gefragt hat, ob alles okay ist, hat sie nur gelächelt und das Thema gewechselt. Als würd sie niemanden belasten wollen.«
Ebony bestätigte das Gesagte mit einem Nicken.
»Hat eine von euch Alyson noch einmal gesehen? Oder erwähnte Katie, ob sie diese Alyson je wiedersah?«
Ebony und Emily schauten einander an.
»Habt ihr sie selbst noch mal gesehen?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
Clare lehnte sich zurück und strich sich mit ihrem Zeigefinger über die Lippen. Alyson Shattham. Sehr interessant.
Sie nahm das Album. »Ich glaube, ich zeige das hier mal in dem Computerzentrum, wo Katie gearbeitet hat. Vielleicht hat ja dort jemand etwas aufgeschnappt oder sie mit Wes oder Alyson zusammen gesehen.« Clare warf einen Blick aus dem Fenster. »Dann breche ich jetzt besser auf. Ich möchte nicht noch
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