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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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unterkriegen. Ich finde, Sie machen Ihre Arbeit glänzend.«
    »Liebe Güte«, sagte Clare, »danke, Miss Bristol.« Als sie sich abwandte, fühlte sie sich, als hätte eine strenge Lehrerin ihr eine Auszeichnung für gutes Betragen gegeben. Sie nippte an ihrem Sherry und erspähte Russ, der neben dem Ausgang stand. Lässig, ohne eindeutig den Weg zu versperren, sondern so, dass man ohne jede Peinlichkeit an ihm vorbeikommen konnte. Er war wirklich sehr groß, das fiel unter anderen Leuten noch mehr auf. Sein Kopf überragte alle im Raum. Clare bahnte sich durch das Gedränge einen Weg zu ihm und achtete darauf, nichts von ihrem Sherry auf das ausgebleichte Rosenmuster des Teppichs zu verschütten. Während sie den Mitgliedern ihrer Pfarrei zunickte und -lächelte, eilte Vaughn Fowler ihr hinterher.
    »Schon Glück bei der Identifizierung gehabt?«, fragte er.
    »Vorhin an der Kirchentür? Nein – nein.« Jedes Mal, wenn sie mit Colonel Fowler sprach, musste sie sich ein »Sir« verkneifen.
    »Na, dann hoffen wir mal, dass hier jemand der Polizei helfen kann. Als Pfarrgemeinderatsmitglied gefällt mir die Sache nicht. Je eher diese Leute verschwinden, desto besser. Es ist Ihnen doch klar, dass die Frage nach einer Mitverantwortung von St. Alban’s auftauchen könnte?«
    »Mitverantwortung? Für einen Mord? Ich wüsste nicht, inwiefern.«
    »Falls ein Zusammenhang besteht. Hat die Polizei denn schon einen Verdächtigen? Wenn es sich um eines unserer Mitglieder handelt, sollten wir vielleicht Rücksprache mit dem Anwalt unserer Diözese halten, damit niemand die Gemeinde verantwortlich macht.«
    »Ah … Meines Wissens hat Chief Van Alstyne noch keinen bestimmten Verdächtigen im Visier. Die Identifizierung der Toten ist schließlich nur ein erster Schritt.«
    »Ich denke da einen Schritt weiter. Angenommen, er verhaftet jemanden aus St. Alban’s. Das kommt in den Post-Star und in die Nachrichten. Und dann entdeckt man den wahren Mörder. Einer Klage gegen uns wäre doch Tür und Tor geöffnet. Beihilfe zum Rufmord oder so. Rechtsanwälte. Heutzutage muss man bei allem an die Folgen denken.«
    Der Polizeichef von Millers Kill lächelte gerade aufmunternd einem jungen Paar zu, das mit Müh und Not zwei kleine Mädchen in Overalls steckte. »Mama«, sagte das ältere Kind, »ist das Officer Friendly?«
    »Ich habe mich schon gefragt, wann Sie rüberkommen. Ich wollte auf Sie warten, bevor ich die Fotos herumzeige.«
    Russ griff hinter sich und nahm den Aktenordner von einem unbenutzten Stuhl neben der Tür. Er fasste Mr. Fowler ins Auge. Clare machte die beiden miteinander bekannt.
    »Ich erinnere mich, Van Alstyne. Ich habe um die Zeit, als Sie zum Polizeichef ernannt wurden, im Post-Star über Sie gelesen. Sie waren doch in der neunundachtzigsten MP-Brigade? Dort war ich siebenundachtzig, während des Aufbaus von Fort Hood, der Stabschef.«
    Russ blinzelte und straffte sich ein wenig. »Jawohl, Sir , neunundachtzigste.« Clare verkniff sich ein Lächeln. Offensichtlich war sie nicht die Einzige, der es schwer fiel, den Colonel als Zivilisten zu sehen. »Erstaunlich, dass Sie sich so etwas gemerkt haben«, fuhr Russ fort.
    »Auf die Militärdienstzeit achte ich immer. Sie macht einen Mann zu dem, was er ist.« Er runzelte die Stirn. »Oder eine Frau.« Clare fühlte, wie sie errötete. Fowler deutete auf den Ordner. »Sind Sie so weit, Chief?«
    »Jawohl, Sir«, antwortete Russ.
    »Dann kann ich auch gleich den Anfang machen. Ein Beispiel setzen, allen zeigen, was von ihnen erwartet wird. Gibt ja nichts zu befürchten.« Russ sah zu Clare. Sie nickte. Er klappte den Ordner auf. Clare hatte es vermieden, die Bilder anzuschauen, als sie sich am Portal von den Pfarreimitgliedern verabschiedete. Jetzt nahm sie die Unbekannte lange und eingehend in Augenschein. Es waren vier Fotos: das Gesicht frontal und zweimal im Profil sowie eine Ganzkörperaufnahme, bei der die Leiche mit einem grünen Tuch bedeckt war. Frappierend, fand Clare, wie viel weniger real das Mädchen auf einem Stahltisch wirkte, beleuchtet von Neonröhren und Blitzlicht. Alles andere als die schlafende Prinzessin mit dem gefrorenen Laub im Haar, die am Ufer des Flusses vor ihr gelegen hatte.
    »Bedaure«, erklärte Fowler, »kenne ich nicht.« Er runzelte die Stirn. »Wo, sagten Sie, ist das passiert?«
    »Ich habe gar nichts gesagt«, antwortete Russ. »Wir fanden die Leiche flussaufwärts bei Payson’s Park.«
    Der Colonel warf ihm einen Blick zu.

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