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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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»Geht das Junggemüse dort immer noch hin, um von den Eltern wegzukommen?« Er schüttelte den Kopf. »Bin dort früher oft von der alten Bockbrücke gesprungen und flussabwärts geschwommen. Pudelnackt. Das waren noch Zeiten … Tut mir leid, dass ich nicht helfen kann.«
    »Trotzdem vielen Dank«, sagte Russ.
    Fowler nickte und schlüpfte in seinen Mantel. »Reverend, wir sehen uns bei der nächsten Pfarrgemeinderatssitzung. Chief Van Alstyne, war schön, Sie kennen zu lernen.« Als er die Tür aufmachte, fiel das Sonnenlicht in den Raum, sodass viele Leute zu ihm hinsahen.
    Clare hob ihre Hände. »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Wer der Polizei bei ihren Ermittlungen helfen möchte, dem zeigt Chief Van Alstyne gerne die Fotos. Wenn Sie ihm Ihre Namen geben, behält er die Übersicht, wer aus unserer Gemeinde die Bilder schon gesehen hat. Ich weiß, es ist keine erfreuliche Aufgabe, aber wir alle, denke ich, haben die Pflicht, unseren Teil zur Ergreifung des Schuldigen beizutragen. Vielen Dank.«
    Die Gemeindemitglieder drängten ihnen entgegen. »Gütiger Himmel«, murmelte Clare, »denen graut wohl vor gar nichts?«
    »Reality TV«, flüsterte Russ. »Wer diese vielen Specials über Serienmörder gesehen hat, für den ist das hier ziemlich zahm.« Er erhob seine Stimme. »Wenn Sie sich bitte hier anstellen, desto schneller können Sie alle nach Hause.«
    Es war eine Wiederholung der Szene am Kirchenportal, nur mit mehr Menschen. Die gleichen Ausrufe, die gleichen Mitleidsbekundungen, die gleichen gemurmelten Lebensweisheiten. Keiner kannte das Mädchen. Ein Moment der Aufregung entstand, als Mae Bristol an die Reihe kam. Sie nahm zwei Fotos in die Hand und sah langsam vom einen zum anderen. »Mir ist, als müsste ich sie kennen«, sagte die alte Lehrerin. »Ich kann sie nur nirgendwo unterbringen. Aber ich bin sicher, ich habe sie schon gesehen.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte Russ und Clare bedauernd an. »Wahrscheinlich zu viele Jahre mit zu vielen jungen Leuten.«
    Die langatmige Prozedur erinnerte Clare daran, wie sie am Rand des Flusses auf die Beendigung der Spurensicherung gewartet hatte. Polizeiarbeit, fand sie, ähnelte sehr einer Schlacht: Stunden-und tagelange Monotonie, unterbrochen von Momenten nackten Schreckens.
    »Oh! Mein! Gott!« Der quieksende Schrei riss Clare in die Wirklichkeit zurück. Alyson Dingsda stand vor Russ, flankiert von zwei gut gekleideten Erwachsenen – vermutlich den Eltern, die sie verzogen hatten. »Die kenne ich! Das ist Katie McWhorter! Ich kenne sie!«

8
    C lare hatte den Shatthams ihr Arbeitszimmer angeboten, weil sie dachte, es sei für deren Tochter angenehmer, dort mit dem Polizeichef zu sprechen, aber sie bestanden darauf, dass Clare bei Alysons Aussage zugegen war. So landeten sie alle zusammengedrängt am Ende des massiven Eichentisches im Pfarrgemeinderatssaal. Clare war nicht sicher, welche Rolle die Shatthams ihr dabei zugedacht hatten: Ratgeberin? Zeugin? Vielleicht hofften sie, die Pastorin würde Alyson etwas Gottesfurcht einflößen. Die hatte nämlich nach ihrem ersten Gefühlsausbruch wieder ihre Pose der Grande Dame und der Verächtlichkeit angenommen. Wenn es um Halbwüchsige ging, war Clare völlig unerfahren, was sie gegebenenfalls auch freimütig gestand. Ihre letzte Bekanntschaft mit Jugendlichen hatte bei der Armee stattgefunden, und sie bezweifelte, dass es in dieser Situation hilfreich war, Alyson zu sagen, sie solle ihre Waffe nach unten richten und ihre Hände oben behalten.
    Das Mädchen saß direkt vor einem der Fenster, sodass ihr Haar einen blonden Schimmer hatte und ihr Gesicht im Schatten lag. Die Eltern hatten einige Augenblicke gezögert, bevor sie zu beiden Seiten ihrer Tochter Platz nahmen. Russ überschlug die Alternativen und wählte dann den Stuhl Alyson direkt gegenüber, sodass der Platz am Kopfende für Clare frei blieb. Während sie sich setzte, wünschte sie, sie hätte ihren Sherry mitgebracht, und wunderte sich, wie Russ die Sekunden verstreichen ließ, ohne Alyson aufzufordern, sie solle alles berichten, was sie wusste.
    Er öffnete den Aktenordner, arrangierte die Fotos auf dem cremefarbenen Pappdeckel und schob sie ihr über den Tisch zu. Der Blick des Mädchens streifte kurz die Bilder, bevor es Russ wieder ansah. Russ griff in seine Hemdtasche, zog eine Sonnenbrille heraus und tauschte sie gegen seine normale Sehhilfe aus. Die Gläser waren verspiegelt. Clare legte sich einen Finger auf die Lippen, um

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