Das Weisse Kleid Des Todes
»Ethan? Deine Mom kommt jetzt aus der Box. Nicht schießen.« Er schob Mindy aus dem Verschlag. »Los, verdammt noch mal.«
Auf zitternden Beinen stand sie da. »Ethan, bitte, tu das nicht.«
»Verschwinde, Mom. Das hier hat nicht die Bohne mit dir zu tun.« Mindy blickte zurück zu Russ.
»Los!«, zischte er. »Lauf, lauf!« Den Kopf immer noch ihrem Sohn zugewandt, stolperte sie ein paar Schritte nach hinten Richtung Tür. Russ nickte ermunternd. Selbst wenn man jemandem vertraute, gehörte ein Schließmuskel aus Stahl dazu, einer geladenen Waffe den Rücken zu kehren. Als Mindy nach draußen in den Hof verschwand, fiel Russ ein Stein vom Herzen. Er lehnte seinen Kopf ein paar Sekunden an die niedrige Holzwand, um durchzuatmen.
»Ethan? Wie wär’s, wenn du und ich jetzt miteinander reden? Okay? Lass uns das erledigen.«
Mindy Stoner hastete, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Vortreppe hinauf, da hörte sie einen Schuss.
13
M ark Durkees Kopf steckte gerade zwischen zwei halb geöffneten Abflussrohren, als das Telefon klingelte. »Papi, Tefelon«, rief beflissen die kleine Madeline.
»Ja, Spätzchen, Papi hört’s.« Vorsichtig schob er sich unter dem Küchenspülbecken hervor. Das Telefon klingelte weiter, während er seine Hände abwischte und den Werkzeugkasten außerhalb von Maddys Reichweite stellte. Hoffentlich war das nicht Rachel mit noch mehr Problemen! Er müsste eine Stunde früher aufbrechen, wenn er sie von der Arbeit abholen, heimfahren und pünktlich zu seiner Schicht antreten wollte.
»Ja bitte«, meldete er sich, während Maddy ein paar von den Dichtungsringen aufzuheben versuchte, die er hatte liegen lassen. Waren die groß genug zum Schlucken?
»Mark – Harlene hier. Hören Sie, wir haben eine Notsituation in Cossayaharie, und ich möchte, dass Sie dem Beamten dort helfen.«
Sein erster Gedanke war, dass das ein Witz sei. Nur dass Harlene sich todernst anhörte. »Was ist denn los?« Er müsste Maddy in ihren Schnee-Overall packen. Zu wem konnte er sie bringen, bis Rachel nach Hause kam?
»Der Chief ist zu Wayne Stoner rausgefahren, um dem jungen Ethan einen Gerichtsbeschluss zu überbringen. Ethan hält ihn jetzt mit einer Jagdflinte im Stall fest. Es wurde mindestens ein Mal geschossen.«
»Scheiße! Vom Chief?«
»Wissen wir nicht. Eine Einheit der Staatspolizei ist schon unterwegs, und ich habe Lyle und Ed hingeschickt, die fahren gerade Streife, aber Sie sind am nächsten dran.«
Richtig. Mit dem Auto vielleicht zehn Minuten von der Stoner-Farm entfernt. Er wusste aus Erfahrung, dass die Staatspolizei mindestens eine halbe Stunde bis Cossayaharie brauchte. Und in einer Viertelstunde konnte jemand, der angeschossen war, verbluten.
»Harlene, ich muss Maddy bei unseren Nachbarn, den Slingers, abgeben. Rufen Sie bitte meine Frau an und sagen ihr Bescheid? Sobald ich dort bin, melde ich mich und berichte über die Situation.«
»Seien Sie vorsichtig. Sie wissen, was Russ sagen würde: Versuchen Sie nicht, den Helden zu spielen, okay?«
»Ja.« Er legte auf. Kein Streifenwagen, keine Waffe, kein Spray, keine Weste – Scheiße. Er hob die vergnügt quietschende Maddy vom Boden hoch. »Komm, Spätzchen. Daddy muss heute Abend früher zur Arbeit.«
Instinktiv hatte Russ sich flach in das Stroh und die Kuhscheiße geworfen, als Ethans Flinte losging. Eine Sekunde später hockte er wieder an der Wand, wo er eine Chance hatte, von dem verschreckten Holsteinrind in der Box nicht zertrampelt zu werden. Im ganzen Stall war verstörtes Muhen, Rumpeln und klirrendes Metall zu hören, da das Vieh in den Boxen unruhig wurde.
Ethan konnte Russ von seiner Position an der Tür zum Milchtank aus nichts anhaben. Er würde direkt in die Box feuern müssen, wodurch er sich selbst zur Zielscheibe machte. Solange also beide Gegner auf Tauchstation blieben, waren sie in Sicherheit. Die Kuh drehte den Kopf nach hinten und fixierte Russ, dann schlug sie aus. Als das nichts half, versuchte sie den Eindringling loszuwerden, indem sie ihn an die Wand drückte. Russ machte sich klein, kauerte sich zusammen und schlüpfte unter der Kuh durch, wobei sein Kopf an ihr Euter stieß. Sie brüllte, trampelte und hätte ihm um ein Haar die linke Hand zerquetscht. Er sah den Nachruf im morgigen Post-Star schon vor sich: Polizeichef von Kuh getötet. Als er auf der anderen Seite war, richtete er sich auf, so gut er konnte, ohne sich Ethan zu zeigen. Er versetzte der Kuh einen Schlag mit der flachen
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