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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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vor. Der Polizei hatte er zunächst erzählt, dass sein Wagen nicht angesprungen sei   … Aber er war kein guter Lügner, und sie glaubten ihm nicht. Stattdessen setzten sie ihn unter Druck, bis er die Wahrheit sagte.«
    Leas Intuition regte sich erneut. »Er war bei
Ihnen
, nicht wahr?«,
    Mara nickte zittrig. »Wir hatten uns in einem Hotel in Lüchow getroffen und völlig die Zeit vergessen. Irgendwann sprang Martin auf, sah auf die Uhr und meinte ganz erschrocken, er müsse sofort losfahren und seine Tochter abholen.«
    »Ich verstehe«, nickte Lea. »Er hat es der Polizei gebeichtet – und daraufhin kamen die Beamten zu Ihnen, um sich die Geschichte bestätigen zu lassen.«
    »Mein Mann tobte«, erinnerte sich Mara schaudernd. »So hatte ich ihn nie zuvor erlebt. Er drohte den Polizeibeamten, die Sache unbedingt geheimzuhalten. Als siefort waren, telefonierte er sofort mit dem Staatsanwalt, um sich versichern zu lassen, dass meine Aussage in der Presseerklärung zu Christines Verschwinden nicht erwähnt würde   … Er war damals gerade in die Politik eingestiegen und sehr um seinen Ruf besorgt.«
    »Und wie hat er Sie behandelt?«
    »Ich hatte wahnsinnige Angst«, erinnerte sich Mara. »Aber er stellte mich nicht zur Rede – an jenem Abend nicht und auch niemals danach. Er schwieg die Angelegenheit tot. Allerdings begann er, mich zu bewachen, meine Verabredungen zu kontrollieren und mich scharf im Auge zu behalten, wann immer ich das Haus verließ.«
    Lea, die sich dies lebhaft vorstellen konnte, nickte. »Haben Sie Martin Herforth danach noch einmal wiedergesehen?«
    Mara begann abermals zu weinen und schüttelte den Kopf. »Er hielt sich von mir fern. Ich wartete verzweifelt darauf, dass er sich melden würde, aber er tat es nicht – und mein Mann ließ mich nicht mehr aus dem Haus. Erst eine Woche später erfuhr ich, dass Martin sich umgebracht hatte   …« Sie schluckte schwer. »Es ist alles meine Schuld. Weil er mit mir zusammen war, kam er zu spät, um seine Tochter abzuholen. Er gab sich selbst die Schuld an ihrem Verschwinden.«
    Lea schwieg nachdenklich. Nun endlich begriff sie den rätselhaften Selbstmord des Mannes: Jahrelang hatte er außereheliche Verhältnisse gepflegt, und das hatte am Ende nicht nur seine Ehe zerrüttet, sondern ihn auch seiner Tochter beraubt. Ihr Verschwinden musste ihm erstmals schlagartig zu Bewusstsein gebracht haben, wie verhängnisvoll er seine Familie vernachlässigt hatte. Für Reue und Neubeginn jedoch war es zu spät gewesen. Christine war aller Wahrscheinlichkeit nach ermordet worden, undihre Mutter hatte der Schock in eine Psychose getrieben. Martin Herforth hatte die Konsequenzen gezogen und sein eigenes Leben beendet.
    »Hat er jemals über Christine gesprochen, wenn er mit Ihnen zusammen war?«, fragte sie.
    »Nur selten«, antwortete Mara abwesend. »Er liebte seine Tochter, konnte sie aber nicht verstehen. Sie wollte zeitlebens fort aus Verchow, protestierte gegen alles und jeden, stritt sich ständig mit ihrer Mutter, schwänzte die Schule. Oft verschwand sie für mehrere Tage oder Wochen. Beim ersten Mal hatte Martin noch die Polizei eingeschaltet und nach ihr suchen lassen, dann hatte er es eine Zeitlang mit Hausarrest versucht – doch Christine fand immer wieder einen Weg zur Flucht. Am Ende resignierte Martin, glaube ich. Er sagte einmal, seine Tochter sei wie ein Vogel, den man fliegen lassen müsse. Trotzdem habe ich gespürt, dass er sehr darunter litt. Als sie schließlich anrief und sagte, dass sie nach Hause zurückkehren würde, war er so glücklich wie selten. Doch dann ging alles schief, weil ich ihn drängte, unsere Verabredung in Lüchow nicht fallenzulassen   …« Wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    »Es ist nicht Ihre Schuld«, sagte Lea sanft. »Und Martin Herforths Schuld ist es auch nicht. Irgendjemand hat Christine auf der Landstraße abgefangen, als sie zu Fuß zum Haus ihrer Eltern ging. – Haben Sie irgendeine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
    Mara hob das verweinte Gesicht und blickte Lea erstaunt an. »Aber die Polizei sagte doch, es sei am wahrscheinlichsten, dass irgendein Fremder   …«
    Lea schüttelte grimmig den Kopf. »Ich bin überzeugt, dass es jemand aus Verchow gewesen ist. Bedenken Sie: Christine war die allgemein verhasste Tochter eines allgemein verhassten Mannes. Es gab diverse betrogene Ehemänner,die ein Motivhatten, sich an Martin Herforth zu rächen.«
    Maras Augen hinter der randlosen

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