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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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der Tür klopfte.
    Oh Gott   – Kai!
Vor Schreck ließ sie das Tagebuch fallen, das aufgeschlagen am Boden landete. Ihr Blick flog zur Uhr über der Küchenzeile: halb sieben. Er war also doch früher zurückgekommen – und überraschte sie völlig unvorbereitet, ungeschminkt, in Jeans und T-Shirt auf dem Sofa.
    »Moment!«, rief sie zur Tür hin, während sie aufsprang, um ins Schlafzimmer zu hetzen, einen raschen Blick in den Spiegel zu werfen und notdürftig ihre Frisur zu ordnen. »Ich komme schon!«
    Als sie endlich die Wohnungstür öffnete, war ihr Erstaunen groß, denn sie sah sich nicht Kai gegenüber, sondern einer Frau, deren scheue Haltung in seltsamem Kontrast zu ihrer eleganten Kleidung stand. Sie drückte sich mit dem Rücken gegen das Treppengeländer, als würde sie verzweifelt Halt suchen. Rötliche Locken fielen über ihre ängstlich flackernden Augen.
    »Frau Heimberger?«, stieß Lea ungläubig hervor.
    »Herr Zirner hat mich hereingelassen«, hauchte sie mit ihrer leisen Mädchenstimme und wies zur angelehnten Haustür. »Er sagte mir, dass Sie zu Hause sind. Kann ich mit Ihnen reden?«
    Es klang, als bäte sie inständig um Gnade vor einem Gericht.
    »Natürlich!«, sagte Lea. »Kommen Sie herein.«
    Sie trat beiseite, während Frau Heimberger eintrat und sich mit scheuen Blicken umsah, beide Hände um ihre Handtasche gekrallt, die sie schützend vor die Brust presste.
    »Möchten Sie einen Kaffee?«, fragte Lea und ging zum Couchtisch, um das seit Stunden stehen gelassene Frühstücksgeschirr abzuräumen. Christines Tagebuch schob sie dabei mit einer unauffälligen Fußbewegung unter das Sofa.
    Frau Heimberger nickte nervös. »Mit viel Milch bitte.«
    »Setzen Sie sich doch!« Lea wandte ihr den Rücken zu, während sie an der Kaffeemaschine hantierte. »Ich freue mich, dass Sie mich besuchen kommen.«
    »Es ist nur   … wegen der Unterschriftenaktion«, antwortete Frau Heimberger.
    Lea hielt inne, denn sie glaubte sich verhört zu haben. »Unterschriftenaktion?«
    »Gegen die neuen Baugrundstücke am Dorfring.«
    »Was für Baugrundstücke?« Stirnrunzelnd wandte Lea sich zu ihr um. Frau Heimberger hatte sich auf dem Sofa niedergelassen, saß in verkrampfter Haltung da und starrte vor sich auf den Glastisch.
    »Der Landkreis plant, vier Hektar nördlich des Dorfrings als Bauland zu veräußern.« Ihre Stimme klang plötzlich mechanisch. »Das ist eine ernste Bedrohung für die historisch gewachsene Struktur unseres Ortes. Mein Mann kämpft in der Gemeindeverwaltung seit langem gegendieses Projekt, und privat sammeln wir Unterschriften für eine Petition im Landtag.«
    »Oh«, machte Lea, die nicht recht glauben konnte, dass das der wahre Grund ihres Besuchs war. Sie füllte zwei Tassen Kaffee, trug sie zum Tisch und setzte sich auf einen der Sessel, Frau Heimberger gegenüber.
    »Wie kommen Sie darauf, dass mich dieser Streit um Bauland interessiert?«, fragte sie. »Sie wissen doch sicherlich, dass ich hier nur Feriengast bin.«
    Frau Heimberger schlug die Augen nieder und biss sich auf die Unterlippe. Einmal mehr wirkte sie nicht wie eine Frau Mitte fünfzig, sondern eher wie ein getadeltes Schulmädchen. Aufmerksam betrachtete Lea ihr rundes, kaum vom Alter gezeichnetes Gesicht, die großen wasserblauen Augen, die zierliche Nase, die blassen Lippen. Auf ihre schüchterne Weise war sie eine attraktive Frau und in ihrer Jugend vermutlich eine Schönheit gewesen, was sich jedoch keineswegs fördernd auf ihr Selbstbewusstsein ausgewirkt zu haben schien. Ihr unsicheres Auftreten verriet einen Menschen, der sich sein Leben lang unter drohenden Schlägen geduckt hatte. Erneut fühlte Lea eine seltsame Regung des Mitleids, und als sie das Wort ergriff, tat sie es mit ausgesucht sanfter Stimme.
    »Frau Heimberger«, begann sie vorsichtig, »gehe ich recht in der Annahme, dass diese Unterschriftenaktion nur ein Vorwand war, weil Sie zufällig Herrn Zirner im Garten antrafen?«
    Frau Heimberger schwieg, die Kaffeetasse in der Hand, ohne sie zum Mund zu führen.
    »Ich nehme an, dass Ihr Ehemann nichts von diesem Besuch wissen darf«, fuhr Lea fort. »Seien Sie beruhigt. Von mir erfährt er es bestimmt nicht.«
    Bei diesen Worten schien sich Frau Heimberger ein wenig zu entspannen, was sich in einem zittrigen Seufzenäußerte. Sie überwand sich, einen winzigen Schluck zu trinken. Dann setzte sie die Tasse ab und wagte endlich, Lea in die Augen zu sehen.
    »Sie sind doch Journalistin, nicht

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