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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wahr?«
    Lea nickte.
    »Und Sie interessieren sich für das   … Gespenst.«
    »Für Christine Herforth und ihr Verschwinden vor vierundzwanzig Jahren«, bestätigte Lea.
    »Werden Sie in der Zeitung darüber schreiben?« Erneut flackerte Angst in Frau Heimbergers Augen.
    »Wahrscheinlich nicht«, beruhigte Lea sie. »Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen: Was immer Sie mir erzählen wollen, bleibt unser Geheimnis. Sie werden nicht eines Tages ihren eigenen Namen in der Zeitung lesen.«
    »Versprechen Sie das?«, flüsterte Frau Heimberger.
    Lea nickte erneut. »Ich verspreche es. Und nun sagen Sie mir bitte, warum Sie hier sind.«
    Frau Heimberger holte tief Luft, als müsste sie sich für eine Aufgabe wappnen, die ihre ganze Kraft erforderte.
    »Sie waren so nett«, begann sie beinahe beschämt. »Heute Morgen im Laden   …«
    »Im Gegenteil«, winkte Lea ab, »ich war indiskret, und das tut mir leid.«
    »Aber Sie meinten es ehrlich. Das habe ich gespürt.« Gerührt bemerkte Lea, dass die Augen der Frau vor Feuchtigkeit glänzten. »Würden Sie mich Mara nennen?«, bat sie unvermittelt.
    Lea lächelte. »Ich bin Lea. Stellen Sie sich einfach vor, wir wären alte Freundinnen.«
    Die Angeredete schluckte, nahm für einen Moment die Brille ab und wischte sich wie ein Kind mit dem Ärmel über die Augen.
    »Sie haben überall im Dorf nach den Herforths gefragt«,setzte sie schließlich an. »Und bestimmt hat man Ihnen eine Menge scheußlicher Sachen über sie erzählt.«
    »Nun ja   …, dass sie nicht besonders beliebt waren, ist mir in der Tat aufgefallen.«
    »Glauben Sie nichts davon!«, fuhr Frau Heimberger plötzlich auf, ohne die Stimme zu heben – sie klang eher noch leiser als zuvor, fast verschwörerisch. »Es waren gute Menschen, ganz gleich, was man heute über sie sagen mag.«
    »Frau   …
Mara «
, korrigierte sich Lea, »darf ich daraus schließen, dass Sie die Herforths persönlich kannten?«
    Mara Heimberger nickte. »Das Mädchen kannte ich nur vom Sehen, aber   … ihren Vater   …«
    In Leas Kopf formte sich plötzlich ein derart zweifelsfreier Gedanke, dass sie sich zu einem Vorstoß ermutigt fühlte.
    »Hatten Sie ein Verhältnis mit Martin Herforth?«, fragte sie unumwunden.
    Mara wandte sich ab und blieb einen Moment stumm – dann nickte sie.
    Ich wusste es
, dachte Lea befriedigt.
Ich ahnte es von dem Moment an, als ich an ihrer Haustür klingelte und sie bei der Erwähnung der Herforths errötete.
    »Waren Sie damals schon mit ihrem jetzigen Mann verheiratet?«
    Mara schwieg, doch Lea deutete es als Bestätigung.
    »Dann ist das vermutlich der Grund, warum Ihr Mann nicht über die Herforths sprechen will«, schloss Lea.
    »Er ist Kommunalpolitiker«, flüsterte Mara, noch immer mit abgewandtem Gesicht. »Es wäre ein Skandal für ihn, wenn irgendjemand es herausfände   …«
    »Aber es ist vierundzwanzig Jahre her!«, ereiferte sich Lea. »Wen würde es heute noch interessieren, dass Sie Ihren Mann damals betrogen haben?«
    » Ihn
würde es interessieren«, gab Mara zittrig zurück. »Alles in seinem Lebenslauf muss perfekt sein, von seinem Einser-Examen als Jurist bis zu unseren drei erfolgreichen Kindern. Er duldet nicht, dass sein Ruf durch irgendeinen Makel getrübt wird.«
    … wie zum Beispiel durch ein paar Gramm Übergewicht an seiner Gattin
, dachte Lea. Wahrscheinlich war es Harald Heimberger, der seiner Frau die Diätprodukte verordnet hatte, damit sie repräsentabel blieb. Es hätte Lea nicht gewundert zu erfahren, dass er auch ihre Kleidung, ihre Lektüre und ihren gesellschaftlichen Umgang kontrollierte.
    »Kommen wir auf Martin Herforth zurück«, bat sie. »Wie gut kannten Sie ihn? Ich meine, abgesehen davon, dass Sie beide   …«
    »Gut genug, um zu wissen, dass das Gerede über ihn nicht stimmte!«, sagte Mara überraschend fest. »Es ist wahr: Er hatte nur geringen Erfolg als Maler – aber es ist
nicht
wahr, dass er Maria Herforth ihres Geldes wegen geheiratet hat.« Sie schluckte. »Er hat sie geliebt.«
    »Und dennoch hatte er ein Verhältnis mit Ihnen?«
    »Ich weiß, dass das schwer zu verstehen ist.« Maras Stimme sank erneut zu einem Flüstern herab. »Martin war   … ein Mensch mit einem großen Herzen. Ich glaube, er konnte es nicht ertragen, eine Frau unglücklich zu sehen.«
    »Und Sie
waren
unglücklich«, folgerte Lea.
    »Er sprach mich an, als ich ihm zufällig auf der Straße begegnete – ganz ähnlich, wie Sie es heute taten. Er

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