Das Werben des Lord MacKenzie
die See zurückgezogen. Nach ihrer Abreise ist Mayfair jetzt nicht mehr das, was es einmal war.
– September 1877
Es sei dringend, hatte Bellamy gesagt. Zum Teufel auch, dachte Mac, als er die Treppe hinunterging.
Hart wartete zusammen mit Ian und einer Frau in der Eingangshalle auf ihn, die Mac nie zuvor gesehen hatte. Die große Halle im palladianischen Stil erstreckte sich mit ihren hohen Fenstern über die gesamte Länge des Hauses und war voller kostbarer Möbel und Ölgemälde. Die Mitte der Halle bildete ein runder Tisch mit einem großen Blumenarrangement, das vom Personal täglich durch ein neues ersetzt wurde. Einst hatte hier eine Marmorskulptur Berninis gestanden, die einen griechischen Gott in enger Umarmung mit einer Göttin darstellte. Aber so wunderschön diese Skulptur auch war – Beth hatte beschlossen, dass der Anblick von Blumen für Damen, die hier einen Besuch machten, weniger schockierend sei. Das Werk von Bernini stand jetzt in Harts Privatsuite.
Mac bezweifelte, dass die Frau gekommen war, um Beth oder Isabella zu besuchen. Sie war dünn, fast ausgezehrt, und trug ein dunkelbraunes Kleid, einen zerbeulten Hut und ein Cape, das ihr viel zu weit von den knochigen Schultern hing. Ihr Gesicht wirkte erschöpft und alt vor Sorge, obwohl sie nicht viel älter als Isabella sein mochte. Sie hielt ein noch sehr kleines Mädchen mit hellroten Haaren und braunen Augen an der Hand.
Hart sprach französisch mit der Frau. Ian stand mit auf dem Rücken verschränkten Armen neben ihnen und wiegte sich leicht auf den Fersen, wie er es immer tat, wenn er abgelenkt oder durcheinander war.
Mac schloss das Hemd, das Bellamy ihm über den nackten Oberkörper geworfen hatte und trat auf die Gruppe zu. »Hart? Was willst du? Wer ist sie?«
Der Blick, mit dem Hart ihn ansah, hätte ein Loch in eine Steinmauer bohren können. Harts Augen, golden wie die eines Adlers, zeigten stets eine Neigung zum Raubtierhaften, und in diesem Augenblick loderten sie vor Wut.
»Ich lasse dir in allem freie Hand, weil ich selbst auch kein Heiliger bin«, sagte Hart mit angespannter Stimme. »Aber Lügen kann ich nicht ausstehen.«
»Lügen? Was für Lügen? Wovon zum Teufel sprichst du?«
Ian machte es kurz. »Sie behauptet, es sei dein Kind. Sie sagt nicht die Wahrheit.«
»Natürlich sagt sie nicht die Wahrheit«, entgegnete Mac verblüfft. »Ich habe diese Frau noch nie in meinem Leben gesehen.«
Die junge Frau verfolgte den Wortwechsel mit verständnislosen Blicken, ängstlich sah sie von einem Bruder zum anderen.
Mac sprach sie ungeduldig auf Französisch an. »Sie haben sich geirrt, Madame.«
Sie sah ihn gequält an und begann, sehr schnell etwas zu sagen. Natürlich hatte sie sich nicht geirrt, was Mac MacKenzie anging, den großen schottischen Lord, der in Frankreich viele Jahre ihr Liebhaber gewesen sei. Mac habe seine Frau ihretwegen verlassen, sei dann aber verschwunden, ein Jahr, nachdem ihr kleines Mädchen geboren wurde. Sie habe auf seine Rückkehr gewartet und immer weiter gewartet, doch dann sei sie krank geworden und zu arm, um für die kleine Aimee zu sorgen. Sie sei den ganzen Weg bis Schottland gereist, um Mac zu finden und ihm Aimee zu bringen.
Mac hörte mit wachsendem Erstaunen zu. Harts Gesicht spiegelte Wut wider, und Ian starrte zu Boden, die Faust unter das Kinn gepresst.
»Hart, ich schwöre dir, ich habe keine Ahnung, wer sie ist«, sagte Mac, als die Frau mit ihrer Rede zu Ende gekommen war. »Ich habe niemals mit ihr geschlafen, und dieses Mädchen ist nicht mein Kind.«
»Warum zum Teufel behauptet sie es dann?«, verlangte Hart zu wissen.
»Wie zum Teufel soll ich das wissen?«
Mac hörte leichte Schritte hinter sich und das Rascheln von Seide, und er schloss die Augen. Verdammt .
Er öffnete sie wieder und sah Isabella die letzten Treppenstufen herunterkommen. Sie war vollständig angezogen, jedes Band saß, wo es sitzen sollte, jeder Knopf war geschlossen. Das einzige Zeichen von Unordnung war ihr Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz frisiert trug, der ihr über den Rücken hing. Isabella sagte kein Wort zu den Brüdern, sondern ging ohne Zögern auf die zierliche junge Frau zu.
Hart stellte sich ihr in den Weg. »Isabella, geh hinauf.«
»Sag mir nicht, was ich zu tun habe, Hart MacKenzie«, sagte sie spröde. »Ganz offensichtlich muss sie sich hinsetzen. Schafft einer von euch Männern es, nach Tee zu klingeln?«
»Isabella.« Hart versuchte seinen strengen Tonfall.
»Es
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