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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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sich auf einem Ball heimlich davongemacht, weil er doch herkommen wollte, was er als eine letzte Pflicht gegenüber seinen alten Kumpels ansah; und sein Frack, sein weißer Binder und sein dickes, blasses Gesicht drückten beide die Verärgerung darüber aus, überhaupt hergekommen zu sein, und zugleich die Wichtigkeit, die er diesem Opfer beimaß, und die Angst, daß er sein neues Glück gefährden könne. Er vermied es, von seiner Frau zu sprechen, damit er sie nicht bei Sandoz einzuführen brauchte. Nachdem er Claude ohne mehr Bewegung, als wenn er ihn erst am Vortag getroffen hätte, die Hand gedrückt hatte, lehnte er eine Tasse Tee ab, er sprach langsam mit aufgeblasenen Backen von der Plackerei, sich in einem neuen Haus einzurichten, das er trockenwohnte, von der Arbeit, die ihn erdrückte, seit er sich mit den Bauten seines Schwiegervaters befaßte, mit einer ganzen Straße, die am Parc Monceau zu erbauen war.
    Da spürte Claude deutlich, wie etwas zerbrach. Das Leben hatte also die Abende von einst bereits fortgerissen, die in all ihrem Ungestüm so brüderlich verliefen, als sie noch nichts trennte, als nicht einer von ihnen seinen Anteil vom Ruhm für sich allein haben wollte? Heute begann die Schlacht, jeder Hungerleider biß zu. Der Spalt war da, der kaum sichtbare Riß, der die alten Freundschaften, die sie sich geschworen, zerspringen ließ und sie eines Tages in tausend Stücke zersplittern mußte.
    Aber Sandoz in seinem Ewigkeitsbedürfnis merkte immer noch nichts, sah sie so wie in der Rue d’Enfer, Arm in Arm, ausgezogen als Eroberer. Warum das ändern, was so gut war? Bestand das Glück nicht in einer Freude, die man aus allen Freuden auserkoren hatte und dann ewiglich genoß? Und als sich die Kumpels eine Stunde später entschlossen aufzubrechen, schläfrig geworden bei dem düsteren Egoismus Dubuches, der endlos von seinen Geschäften redete, als man den wie gebannt dasitzenden Gagnière vom Klavier gezerrt hatte, wollte Sandoz mit seiner Frau sie trotz der kalten Nacht unbedingt bis zum Ende des Gartens ans Gittertor begleiten. Er drückte allen die Hände und rief immer wieder:
    »Bis Donnerstag, Claude! – Bis Donnerstag, ihr alle! – He? Kommt alle!«
    »Bis Donnerstag!« wiederholte Henriette, die die Laterne genommen hatte und sie hochhielt, um die Treppe zu beleuchten.
    Und unter Lachen antworteten Gagnière und Mahoudeau scherzend:
    »Bis Donnerstag, junger Meister! – Gute Nacht, junger Meister!«
    Draußen auf der Rue Nollet rief Dubuche sofort eine Droschke herbei, die ihn fortbrachte. Die anderen vier gingen zusammen bis zum äußeren Boulevard hoch, wechselten fast kein Wort, wirkten wie benommen darüber, daß sie so lange zusammen waren. Als Jory auf dem Boulevard eine Dirne vorbeikommen sah, stürzte er hinter ihr her, nachdem er rasch etwas von Druckfahnen erzählt hatte, die in der Zeitung auf ihn warteten. Und als Gagnière mechanisch Claude vor dem Café Baudequin anhielt, dessen Gaslicht noch flammte, lehnte Mahoudeau es ab hineinzugehen und ging, in seine traurigen Gedanken verloren, allein weiter bis zur Rue du ChercheMidi.
    Ohne es eigentlich gewollt zu haben, saß Claude plötzlich an ihrem alten Tisch dem schweigenden Gagnière gegenüber. Das Café hatte sich nicht geändert, hier kam man immer noch am Sonntag zusammen, es war sogar eine richtige Leidenschaft dafür ausgebrochen, seit Sandoz in dem Viertel wohnte; aber die Schar ging dort in einer Woge von Neuankömmlingen unter, nach und nach war man in der zunehmenden Banalität der Freilichtschüler versunken. Zu dieser Stunde leerte sich übrigens das Café; drei junge Maler, die Claude nicht kannte, traten heran, um ihm die Hand zu drücken, als sie sich zurückzogen; und es war da noch ein kleiner Rentier aus der Nachbarschaft, der vor einem Schälchen eingeschlafen war.
    Gagnière, der sich sehr behaglich fühlte, wie zu Hause, und sich durch das Gähnen des einzigen Kellners, der sich im Gastzimmer rekelte, nicht stören ließ, schaute Claude mit verschwommenen Augen an, ohne ihn zu sehen.
    »Was ich sagen wollte«, fragte Claude, »was hast du denn heute abend Mahoudeau erklärt? Ja, das Rot der Fahne, das im Blau des Himmels in Gelb umschlägt … Na? Du büffelst wohl die Komplementärfarbentheorie?«
    Aber der andere antwortete nicht. Er nahm seinen Schoppen, setzte ihn, ohne getrunken zu haben, wieder zurück, murmelte schließlich mit einem verzückten Lächeln:
    »Haydn79, das ist die rhetorische

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