Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
verteidigen. Als er sich, wütend über seine eigene Ungeschicklichkeit, mit knapper Not und Mühe aus der Klemme gezogen hatte, wurde er für einen Augenblick wieder der Spaßvogel von ehedem, brachte Claude dazu, Tränen zu lachen, unterhielt sie alle. Dann streckte er Henriette die Hand hin, um sich zu verabschieden.
    »Wieso, Sie wollen schon gehen?«
    »Leider ja, liebe gnädige Frau. Mein Vater hat heute abend einen Abteilungsleiter zu Gast, den er wegen der Auszeichnung bearbeitet … Und da ich eines seiner Paradestücke bin, habe ich schwören müssen zu erscheinen.«
    Als er fort war, verschwand Henriette, die leise ein paar Worte mit Sandoz gewechselt hatte; und man hörte dann das leichte Geräusch ihrer Schritte im ersten Stock: seit der Heirat betreute sie die alte, sieche Mutter und ging so mehrere Male im Laufe des Abends zu ihr, wie es einstmals der Sohn getan hatte.
    Übrigens hatte nicht einer der Gäste bemerkt, daß sie hinausgegangen war.
    Mahoudeau und Gagnière redeten über Fagerolles; ohne ihn direkt anzugreifen, verhehlten sie ihre dumpfe Erbitterung nicht. Noch warfen sie einander nur spöttische Blicke zu, zuckten die Achseln, zeigten die ganze stumme Verachtung von Burschen, die über einen Kumpel nicht den Stab brechen wollen. Und sie hielten sich an Claude schadlos, sie lagen vor ihm geradezu auf dem Bauch, überschütteten ihn mit den Hoffnungen, die sie in ihn setzten. Ach, es war Zeit, daß er zurückkam, denn er allein konnte, weil er das Zeug zu einem großen Maler und eine feste Faust hatte, der Meister, das anerkannte Oberhaupt sein. Seit dem Salon der Abgelehnten hatte sich die Freilichtschule ausgebreitet, ihr wachsender Einfluß machte sich bemerkbar; unglücklicherweise verzettelten sich die Anstrengungen, diese Neuen begnügten sich mit Skizzen, in drei Pinselstrichen hingepfuschten Eindrücken; und man wartete auf den Mann mit dem nötigen Genie, auf den, der der Formel in Meisterwerken Gestalt verleihen würde. Was für ein Platz war da einzunehmen! Die Menge bändigen, ein Jahrhundert eröffnen, eine Kunst schaffen!
    Claude hörte ihnen zu, sah auf den Fußboden, sein Gesicht war von Blässe überflutet. Ja, das war wohl sein uneingestandener Traum, der Ehrgeiz, den er vor sich selber nicht zuzugeben wagte. Allein es mischte sich in die Freude über die Schmeichelei eine seltsame Bangigkeit, eine Angst vor dieser Zukunft, als er hörte, wie sie ihn zu dieser Diktatorenrolle erhoben, als habe er bereits triumphiert.
    »Laßt doch!« rief er schließlich. »Es gibt welche, die ebensoviel wert sind wie ich, ich habe mich selber noch nicht gefunden.«
    Gereizt rauchte Jory schweigend seine Zigarre. Da die beiden anderen starrköpfig auf ihrer Ansicht beharrten, konnte er auf einmal den folgenden Satz nicht mehr zurückhalten: »All das, Kinder, sagt ihr ja bloß, weil ihr euch über Fagerolles’ Erfolg ärgert.«
    Sie erhoben laut Einspruch. Fagerolles! Der junge Meister! Was für ein gelungener Ulk!
    »Oh, du läßt uns im Stich, das wissen wir ja«, sagte Mahoudeau. »Es besteht keine Gefahr, daß du jetzt auch nur zwei Zeilen über uns schreibst.«
    »Na, das ist ja denn doch die Höhe, mein Lieber!« antwortete Jory verärgert. »Alles, was ich über euch schreibe, wird mir gestrichen. Ihr sorgt ja selber dafür, daß ihr überall verschrien seid … Ach, wenn ich eine eigene Zeitung hätte!«
    Henriette erschien wieder, und da die Augen von Sandoz ihre Augen gesucht hatten, antwortete sie ihm mit einem Blick, auf ihren Lippen lag jenes zarte und verschwiegene Lächeln, das einst auf seinen Lippen gelegen hatte, wenn er aus dem Zimmer seiner Mutter kam. Dann rief sie sie alle, sie setzten sich wieder an den Tisch, während sie Tee aufbrühte und ihn in die Tassen goß. Aber der Abend verlief nun trauriger, alle waren wie benommen vor Müdigkeit. Vergebens wurde Bertrand, der große Hund, hereingerufen, der sich für ein Stück Zucker zu allem hergab und sich dann am Ofen schlafen legte, wo er wie ein Mann schnarchte. Seit der Erörterung über Fagerolles herrschte Schweigen, eine Art ärgerlicher Langeweile lastete im dichten Pfeifenqualm. Gagnière stand bald vom Tisch auf, um sich ans Klavier zu setzen, auf dem er mit den ungelenken Fingern eines Musikliebhabers, der seine ersten Tonleitern mit dreißig Jahren übt, gedämpft einige Stellen aus Wagner hinstümperte.
    Gegen elf Uhr ließ Dubuche, der endlich eintraf, die Anwesenden vollends zu Eis erstarren. Er hatte

Weitere Kostenlose Bücher