Das Werk - 14
Nacktheit entgehen, die nichts mehr vermochte, die hinfort nur noch dazu taugte, unter der Wäsche alt zu werden. Und sie empfand Verachtung vor sich selbst, Ekel, daß sie sich herabgelassen hatte zu diesem Mittel einer Dirne, dessen fleischliche Niedrigkeit sie nun fühlte, da sie besiegt war.
Aber schon am nächsten Morgen mußte Christine sich wieder in der eisigen Luft unter dem brutalen Licht nackt ausziehen. War das nicht hinfort ihre Beschäftigung? Wie sollte sie sich jetzt verweigern, da es zur Gewohnheit geworden war? Niemals hätte sie Claude Kummer bereitet; und diese Niederlage ihres Leibes begann jeden Tag wieder von vorn. Er sprach nicht einmal mehr von diesem brennenden und gedemütigten Leib. Seine Leidenschaft für das Fleisch hatte sich auf sein Werk übertragen, auf die gemalten Geliebten, die er sich selber schenkte. Sie allein brachten sein Blut zum Hämmern, sie, bei denen jedes Glied aus einer seiner Anstrengungen hervorging. Wenn er dort auf dem Lande während seiner großen Liebe geglaubt hatte, das Glück zu halten, weil er endlich ein Weib besaß, ein lebendiges Weib, das die Arme ausbreitete, war das wiederum nur die ewige Illusion, denn sie waren einander trotzdem fremd geblieben; und ihm war die Illusion seiner Kunst lieber, dieses Jagen nach der niemals erreichten Schönheit, dieses irre Verlangen, das durch nichts befriedigt wurde. Ach, sie alle wollen, sie schaffen, so wie er sie geträumt, Atlasbrüste, bernsteinfarbene Hüften, zartweiche Jungfrauenbäuche, und sie nur wegen der schönen Farbtöne lieben, und die Entfliehenden fühlen, ohne sie umarmen zu können! Christine war die Wirklichkeit, das Ziel, das die Hand erreichen konnte, und Claude ekelte das nach einem Sommer an, ihn, den Streiter des Unerschaffenen, wie Sandoz ihn mitunter lachend nannte.
Monatelang war so das Modellstehen für sie eine Qual. Das schöne Leben zu zweit war vorbei, eine Ehe zu dritt schien sich anzubahnen, als habe er eine Geliebte nach Hause mitgebracht, diese Frau, die er nach ihr malte. Das riesige Bild reckte sich zwischen ihnen empor und trennte sie mit einer unübersteigbaren Mauer; und jenseits davon lebte er mit der anderen zusammen. Sie wurde verrückt dabei, wurde eifersüchtig auf diese Doppelgängerin, begriff das Elend eines solchen Leidens und wagte nicht einzugestehen, wie weh ihr das tat, weil er darüber gescherzt hätte. Und dennoch täuschte sie sich nicht, sie spürte sehr wohl, daß er ihr Abbild ihr selber vorzog, daß das Abbild der Gegenstand der Anbetung, der einzige Gedanke, die Zärtlichkeit aller Stunden war. Er brachte sie um mit dem vielen Modellstehen, um die andere noch schöner zu machen, nur die andere war noch die Ursache seiner Freude oder seiner Traurigkeit, je nachdem, ob er sah, daß sie unter seinem Pinsel Leben annahm oder dahinsiechte. War denn das nicht Liebe? Und was für ein Schmerz, ihren Schoß dafür herzugeben, daß die andere geboren werde, damit das Schreckbild dieser Nebenbuhlerin sie beide heimsuche, immer zwischen ihnen sei, mächtiger als die Wirklichkeit, im Atelier, bei Tisch, im Bett, überall! Ein Staub, ein Nichts, Farbe auf Leinwand, eine bloße Erscheinung, die all ihr Glück zerbrach, was er schweigend, gleichgültig, mitunter brutal hinnahm, sie aber gemartert von ihrer Verlassenheit, verzweifelt, weil sie aus ihrer Ehe diese Konkubine nicht verjagen konnte, die alles so siegreich an sich riß und so furchtbar war in der Reglosigkeit eines Götzenbildes!
Und von da an war Christine endgültig besiegt, und sie fühlte die ganze Selbstherrlichkeit der Kunst auf sich lasten. Sie erhob diese Malerei, die sie bereits vorbehaltlos akzeptiert hatte, noch höher, stellte sie tief hinten in ein unnahbares Tabernakel, vor dem sie zerschmettert verharrte, wie vor jenen mächtigen Zornesgöttern, die man verehrt wegen des Übermaßes von Haß und Schrecken, die sie einflößen. Das war eine heilige Angst, die Gewißheit, sie brauche nicht mehr zu kämpfen, sie würde zermalmt werden wie ein Strohhalm, wenn sie sich weiter darauf versteifte. Die Gemälde nahmen die Größe von Felsblöcken an, die kleinsten erschienen ihr triumphal, die minderwertigeren drückten sie mit ihrem Sieg nieder, während Christine sie nicht mehr beurteilen konnte, zitternd am Boden lag, sie alle furchtbar fand und auf die Fragen ihres Mannes immerzu antwortete:
»Oh, sehr gut! – Oh, großartig! – Oh, außerordentlich, außerordentlich ist das!«
Allerdings hegte
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