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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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ihr heran, betrachtete sie von oben bis unten mit wachsender Leidenschaft und berührte dabei mit der Fingerspitze jeden Teil, den er meinte. »Sieh mal! Hier unter der linken Brust, na ja, das ist ganz entzückend. Es sind da Äderchen, die blau schimmern, die der Tönung der Haut eine erlesene Zartheit verleihen … Und hier in der Wölbung der Hüfte dieses Grübchen, darin der Schatten goldig wirkt, eine Augenweide! – Und hier unter der so üppigen Modellierung des Bauches dieser reine Strich in der Schamleiste, kaum ein Anflug von Karminrot in blassem Gold … Der Bauch, der hat mich immer in Verzückung versetzt. Ich kann keinen Bauch sehen, ohne daß ich die Welt fressen will. Das ist so schön zu malen, eine richtige Sonne aus Fleisch!« Als er dann wieder auf seine Leiter gestiegen war, rief er in seinem Schaffenseifer: »Himmelsakrament, wenn ich mit dir kein Meisterwerk hinlege, dann muß ich schon ein Schwein sein!«
    Christine schwieg, und ihre Bangigkeit wuchs mit der Gewißheit, die in ihr entstand. Reglos stand sie da unter der Brutalität all dieser Dinge und fühlte sich unbehaglich in ihrer Nacktheit. An jeder Stelle, wo Claudes Finger sie berührt hatte, war ein eisiger Abdruck zurückgeblieben, als dringe die Kälte, unter der sie erschauerte, dort in sie ein. Die Erfahrung war gemacht, wozu noch weiter hoffen? Diesen Leib, den er einst über und über mit den Küssen eines Geliebten bedeckt hatte, schaute er nicht mehr an, er schwärmte nur noch als Künstler dafür. Eine Tönung der Brust begeisterte ihn, eine Linie des Bauches ließ ihn in frommer Andacht in die Knie sinken, während er ihn einst, von Begierde geblendet, an seiner Brust schier zerdrückte, ohne Christine zu sehen, in Umarmungen, bei denen sie beide hätten dahinschmelzen mögen. Ach, es war eben aus, sie war nicht mehr, er liebte in ihr nur noch seine Kunst, die Natur, das Leben. Und die Augen in die Ferne gerichtet, wahrte sie die Starre eines Marmorbildes, sie hielt die Tränen zurück, von denen ihr Herz schwer war, weil ihr so elend war, daß sie nicht einmal mehr weinen konnte.
    Kleine Fäuste hämmerten gegen die Tür, und eine Stimme kam aus der Stube:
    »Mama, Mama, ich kann nicht schlafen, ich langweile mich … Mach doch auf, Mama, ja?«
    Das war Jacques, der allmählich ungeduldig wurde.
    Claude wurde böse und schimpfte, man habe nicht eine Minute Ruhe.
    »Gleich!« rief Christine. »Schlaf, laß deinen Vater arbeiten!«
    Aber neue Unruhe schien sie zu befallen, sie blickte immer wieder kurz zur Tür; schließlich gab sie für einen Augenblick ihre Pose auf, um ihren Rock an den Schlüssel zu hängen, so daß das Schlüsselloch verhängt war. Ohne etwas zu sagen, kam sie dann zurück und stellte sich wieder am Ofen auf, den Kopf gerade haltenden der Taille ein wenig zurückgebogen, mit schwellenden Brüsten.
    Und das Modellstehen dauerte ewig, Stunden um Stunden verstrichen. Immerzu stand sie da und bot sich an, mit der Haltung einer Badenden, die sich ins Wasser stürzen will, während er auf seiner Leiter meilenweit weg war und für jene andere Frau, die er malte, entbrannte. Er hatte sogar aufgehört, zu ihr zu sprechen, sie sank wieder in die Rolle eines Gegenstandes zurück, der eine schöne Farbe hatte. Seit dem frühen Morgen schaute er nur sie an, aber sie sah sich nicht mehr in seinen Augen, war eine Fremde, die von nun an von ihm verjagt wurde.
    Schließlich hielt er vor Erschöpfung inne; er merkte, daß sie zitterte.
    »Na, frierst du etwa?«
    »Ja, ein bißchen.«
    »Das ist aber komisch, mir ist brennendheiß … Ich möchte nicht, daß du dich erkältest. Machen wir morgen weiter.«
    Da er von der Leiter herabstieg, glaubte sie, er würde ihr einen Kuß geben. Gewöhnlich entschädigte er sie aus einer letzten Galanterie des Ehemanns heraus mit einem raschen Kuß für die Langeweile des Modellstehens. Aber er war von seiner Arbeit so erfüllt, daß er es vergaß und sofort seine Pinsel auswusch, die er kniend in einen Topf mit schwarzer Seife tauchte.
    Und sie wartete, blieb nackt stehen, weil sie immer noch hoffte.
    Eine Minute verstrich, er wunderte sich über diesen reglosen Schatten, überrascht sah er sie an, dann begann er wieder energisch zu reiben.
    Da zog sie sich in der gräßlichen Verwirrung einer verschmähten Frau mit vor Hast zitternden Händen wieder an. Sie streifte ihr Hemd über, schlug sich mit den Röcken herum, hakte ihre Bluse verkehrt zu, als wolle sie der Schande dieser

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