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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gebadet. Und die Schulter, hier, bis zur Schwellung des Busens … Ach, mein Gott, das ist Leben, ich spüre, wie das lebt, als ob ich sie berührte, diese geschmeidige, warme Haut mit ihrem Duft!«
    Christine, die hinter ihm stand, sah hin und antwortete mit kurzen Worten. Daß sie hier selber wiederauferstanden war, nach Jahren, so wie sie mit achtzehn gewesen, hatte ihr zunächst geschmeichelt und sie überrascht. Aber sobald sie merkte, wie er sich begeisterte, verspürte sie ein zunehmendes Unbehagen, eine unbestimmte Gereiztheit, ohne daß sie sich die Ursache eingestand.
    »Wieso, du findest sie nicht so, daß man vor ihr in die Knie sinken könnte?«
    »Doch, doch … Bloß, sie ist nachgedunkelt.«
    Claude erhob heftig Einspruch. Nachgedunkelt, da hörte ja alles auf! Niemals würde sie nachdunkeln, sie habe die ewige Jugend. Eine wirkliche Liebe hatte sich seiner bemächtigt; er sprach von ihr wie von einer lebenden Frau, jäh überkam ihn das Bedürfnis, sie wiederzusehen, und er ließ dann alles stehen und liegen, als wolle er zu einem Stelldichein eilen.
    Dann packte ihn eines Morgens eine Gier nach Arbeit.
    »Aber, Himmeldonnerwetter, wo ich das doch gemacht habe, kann ich es doch noch mal machen … Ach, wenn ich kein Rindvieh bin, dann muß das dieses Mal was werden!«
    Und sofort mußte ihm Christine Modell stehen, denn er stand bereits auf seiner Leiter und brannte darauf, sich wieder an sein großes Bild zu machen. Einen Monat lang hielt er sie acht Stunden am Tage nackt fest, ihre Füße waren krank vor Reglosigkeit, und er kannte kein Mitleid mit ihr, obwohl er fühlte, wie erschöpft sie war, ebenso wie er auch mit einer grimmigen Härte gegen seine eigene Müdigkeit anging. Er versteifte sich auf ein Meisterwerk, er verlangte, daß seine stehende Gestalt soviel wert sei wie jene liegende Gestalt, die er an der Wand vor Leben strahlen sah. Immerfort zog er sie zu Rate, stellte Vergleiche mit ihr an, war verzweifelt und aufgepeitscht von der Angst, er werde niemals mehr etwas Gleichwertiges schaffen können. Er warf einen kurzen Blick zu ihr hinüber und dann einen auf Christine, einen anderen auf seine Leinwand, brauste auf und fluchte, wenn er keine Befriedigung fand. Schließlich fiel er über seine Frau her.
    »Auch du, meine Liebe, bist nicht mehr so wie da am Quai de Bourbon. Ach, aber ganz und gar nicht mehr so! – Das ist sehr komisch, du hast zeitig eine reife Brust gehabt. Ich entsinne mich noch, wie überrascht ich war, als ich sah, daß du einen richtigen Frauenbusen hattest, während alles übrige noch schmächtig und kindlichzart war … Und so geschmeidig und so frisch, das Aufblühen einer Knospe, die Anmut des Lenzes … Gewiß, ja, du kannst dir schmeicheln, du hattest einen verteufelt gut gebauten Körper!« Er sagte das nicht, um sie zu kränken, er sprach lediglich als Beobachter und schloß dabei halb die Augen, redete von ihrem Leib wie von einem Studienobjekt, das immer mehr an Wert verlor. »Die Tönung ist immer noch prächtig, aber die Konturen, nein, nein, die sind nicht mehr dieselben! – Die Beine, oh, die Beine, noch sehr gut: das geht bei den Frauen als letztes drauf … Bloß der Bauch und die Brüste, freilich, die halten sich nicht. So sieh dich doch mal im Spiegel an: bei den Achselhöhlen sind da solche Beutel, die anschwellen, und das ist nichts Schönes. Wahrhaftig, auf der ihrem Körper da kannst du suchen, solche Beutel sind da nicht zu finden.« Mit einem zärtlichen Blick wies er auf die liegende Gestalt; und er sagte abschließend: »Du kannst nicht dafür, aber offensichtlich ist es das, was mich dabei stört … Ach, das ist ein Pech!«
    Sie hörte zu, sie wankte in ihrem Kummer. Diese Stunden des Modellstehens, bei denen sie schon so sehr gelitten hatte, verwandelten sich nun in eine unerträgliche Pein. Was hatte er sich denn da Neues einfallen lassen, daß er sie so mit ihrer eigenen Jugend drangsalierte, ihre Eifersucht anfachte, indem er ihr das vergiftete Bedauern um ihre entschwundene Schönheit einflößte? Da wurde sie nun ihre eigene Nebenbuhlerin, sie konnte ihr Bild von früher nicht mehr anschauen, ohne daß die Mißgunst ihr einen Stich ins Herz versetzte. Ach, dieses Bild, diese nach ihr angefertigte Studie, hatte auf ihrem Dasein gelastet! All ihr Unglück rührte von daher: zuerst hatte sie ihren Busen im Schlaf sehen lassen; dann hatte sie ihren jungfräulichen Leib freiwillig entblößt in einer Minute barmherziger Liebe; dann

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