Das Werk - 14
verdienen, dank einem Fabrikanten von bronzenen Kunstgegenständen, der ihn seine Musterstücke überarbeiten ließ. Eine andere Geschichte war es mit Jory, den niemand mehr zu sehen bekam, seit Mathilde ihn zu Hause despotisch eingesperrt hielt wie in einem Kloster, sie fütterte ihn bis zum Platzen mit scharfen Sächelchen, machte ihn rein dumm mit verliebten Praktiken, mästete ihn so sehr mit allem, was er liebte, daß er, der früher den Mädchen nachrannte, der Geizhals, der seine Vergnügen an den Prellsteinen auflas, um nicht bezahlen zu müssen, zahm geworden war wie ein treuer Hund, die Schlüssel zu seinem Geld rausrückte und nur an den Tagen, an denen sie ihm zwanzig Sous lassen wollte, so viel in der Tasche hatte, daß er sich eine Zigarre kaufen konnte; man erzählte sogar, daß sie, die einstmals ein frommes Mädchen gewesen war, ihn nun in die Religion stürzte, um ihre Eroberung zu sichern, und zu ihm vom Tode sprach, vor dem er eine gräßliche Angst hatte. Allein Fagerolles gab sich seinem alten Freund gegenüber überaus herzlich, wenn er ihn traf, und versprach immer, ihn zu besuchen, was übrigens niemals geschah; er hatte ja seit seinem großen Erfolg so viel zu tun, ließ die Trommel für seinen Ruhm rühren, ließ Plakate anschlagen, wurde gefeiert, war auf dem Wege, alles Glück und alle Ehre einzuheimsen! Und Claude tat es aus zärtlicher Feigheit, die von alten Kindheitserinnerungen herrührte, trotz der Reibungen, die die Verschiedenheiten ihrer Naturen später mit sich gebracht hatten, eigentlich nur um Dubuche leid. Aber wie es schien, war Dubuche auch nicht glücklich, zweifellos wurde er mit Millionen überschüttet und war dennoch elend dran, lebte in ständigem Streit mit seinem Schwiegervater, der sich beklagte, er habe ihn über seine Fähigkeiten als Architekt getäuscht, und leben mußte er inmitten der Arzneien seiner kranken Frau und seiner beiden Kinder, richtiger Fötusse, die zu früh gekommen waren und in Watte verpackt aufgezogen wurden.
Alle diese Freundschaften waren gestorben, geblieben war nur noch die zu Sandoz, der noch den Weg zur Rue Tourlaque zu kennen schien. Er kam immer wieder dorthin wegen des kleinen Jacques, seines Patenkindes, auch wegen dieser traurigen Frau, der Christine, deren leidenschaftliches Gesicht inmitten dieses Elends ihn tief erschütterte, wie eine jener Visionen von großen liebenden Frauen, die er gern in seine Bücher eingearbeitet hätte. Und vor allem wurde sein brüderliches Mitgefühl als Künstler noch stärker, seit er sah, daß Claude den Boden unter den Füßen verlor und versank auf den Grund des heroischen Wahnsinns der Kunst. Zunächst war er ganz erstaunt darüber gewesen, denn er hatte an seinen Freund mehr geglaubt als an sich selber; seit der Gymnasialzeit reihte er sich hinter Claude ein und stellte ihn sehr hoch, in die Reihe der Meister, die die Umwälzung einer Epoche bewirken. Dann war bei diesem Versagen eines Genies eine schmerzliche Rührung über ihn gekommen, ein bitteres und blutendes Mitleid angesichts dieser entsetzlichen Qual des Unvermögens. Wußte man denn niemals in der Kunst, wo der Wahnsinn begann? Alle verkannten Genies rührten ihn zu Tränen, und je abwegiger ein Bild oder ein Buch wurde beim grotesken und jammervollen Sichmühen, um so mehr erbebte er vor barmherziger Liebe und spürte das Bedürfnis, diese Armen, die das Werk wie ein Blitzstrahl zu Boden schmetterte, fromm einzulullen in die Verstiegenheit ihrer Träume.
An dem Tag, an dem Sandoz heraufgekommen war, ohne den Maler anzutreffen, ging er nicht wieder, sondern blieb beharrlich da, als er Christines rotgeweinte Augen sah.
»Wenn Sie meinen, daß er bald heimkommen wird, warte ich auf ihn.«
»Oh, das kann nicht lange dauern.«
»Also bleibe ich, wenn ich Sie nicht störe.«
Niemals hatte sie ihn so sehr gerührt wie jetzt in der Mattigkeit einer verschmähten Frau, mit ihren müden Gebärden, ihrer trägen Redeweise, ihrer Achtlosigkeit gegen alles, außer der Leidenschaft, die in ihr brannte. Seit etwa einer Woche rückte sie keinen Stuhl an seinen Platz, wischte kein Möbelstück mehr ab, ließ zu, daß der Haushalt zusammenbrach, und hatte kaum mehr die Kraft, sich selber fortzubewegen. Und es krampfte sich einem das Herz zusammen bei diesem Elend, das im grellen Licht des großen Atelierfensters kopfüber im Dreck versank, in diesem Schuppen, der schlecht verputzt und kahl war und in dem man vor Unordnung nicht treten konnte,
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