Das Werk - 14
er beklagte sich, daß er dabei keine Hilfe von Bongrand bekam, der kein Heft hatte und übrigens so ungeschickt war, daß er die besten Sachen durch unangebrachte Ausbrüche von Offenheit verdarb. Wohl zwanzigmal hätte er Claude am liebsten fallenlassen, wenn er nicht so halsstarrig gewesen wäre, bei dieser Zulassung, die für unmöglich galt, seine Macht erproben zu wollen. Man würde ja sehen, ob er nicht schon Manns genug war, sich die Jury gefügig zu machen. Vielleicht hallte auch auf dem Grunde seines Gewissens ein Schrei nach Gerechtigkeit, die dumpfe Ehrfurcht vor dem Manne, dem er das Talent stahl.
Ausgerechnet an diesem Tage hatte Mazel eine abscheuliche Laune. Gleich zu Beginn der Sitzung kam der Oberaufseher angerannt.
»Herr Mazel, es ist gestern ein Irrtum passiert. Es ist ein Bild abgelehnt worden, das außer Konkurrenz lief … Sie wissen, die Nummer zweitausenddreißig, eine nackte Frau unter einem Baum.«
Tatsächlich hatte man am Vortag dieses Bild in einhelliger Verachtung ins Massengrab geworfen, ohne zu bemerken, daß es von einem alten klassischen Maler stammte, der beim Institut de France große Achtung genoß; und die Entgeisterung des Oberaufsehers, dieser treffliche Schabernack einer unbeabsichtigten Hinrichtung erheiterte die jungen Leute in der Jury, die herausfordernd zu grinsen anfingen.
Mazel haßte solche Geschichten, die sich verheerend auf die Autorität der Ecole des BeauxArts auswirkten, wie er fühlte. Er machte eine zornige Gebärde und sagte trocken:
»Na schön, fischen Sie es wieder raus, tragen Sie es zu den angenommenen … Man hat ja auch gestern einen unerträglichen Krach gemacht. Wie soll man sich denn in einem solchen Galopp ein Urteil bilden, wenn ich nicht einmal Ruhe durchsetzen kann!« Er schwenkte kurz und schrecklich die Klingel. »Also, meine Herren, wir sind soweit. Ein bißchen guter Wille, wenn ich bitten darf.«
Unglücklicherweise gab es gleich bei den ersten Bildern, die auf die Staffelei gestellt wurden, noch ein Mißgeschick. Unter anderen zog ein Gemälde Mazels Aufmerksamkeit auf sich, so schlecht fand er es mit dem sauren Farbton, bei dem einem die Zähne weh taten; und da sein Augenlicht abnahm, neigte er sich vor, um die Signatur zu sehen, und murmelte dabei: »Wer ist denn das Schwein …?« Aber er richtete sich rasch wieder auf, ganz erschrocken, weil er den Namen eines seiner Freunde gelesen hatte, eines Künstlers, der ebenfalls ein Bollwerk der geheiligten Doktrinen war. In der Hoffnung, daß man ihn nicht gehört habe, schrie er: »Prächtig! – Eine Eins, nicht wahr, meine Herren?«
Man einigte sich auf eine Eins, die Zulassungsnummer, die ein Anrecht auf den besten Platz für das Bild, gleich über der Leiste des Wandsockels, gab. Allerdings lachte man und stieß sich mit dem Ellbogen an. Mazel war darüber sehr gekränkt und wurde wild.
Und es ging ihnen allen so, viele machten gleich beim ersten Blick ihrem Herzen Luft, um dann rasch wieder ihre Sätze zurückzunehmen, sobald sie die Signatur entziffert hatten, was schließlich bewirkte, daß sie vorsichtiger wurden, einen krummen Rücken machten, sich mit verstohlenem Blick des Namens vergewisserten, bevor sie sich äußerten.
Als übrigens das Werk eines Kollegen drankam, irgendein anrüchiges Gemälde eines Mitgliedes der Jury, war man so vorsichtig, einander durch ein Zeichen hinter den Schultern des Malers zu warnen: »Seht euch vor, macht keinen Blödsinn, das ist von ihm hier!«
Trotz der allgemeinen Abgespanntheit in der Sitzung griff Fagerolles eine erste Sache auf. Es war dies ein entsetzliches Porträt, gemalt von einem seiner Schüler, in dessen Familie, die sehr reich war, er ein und aus ging. Er hatte Mazel beiseite nehmen müssen, um ihn zu rühren, indem er ihm eine sentimentale Geschichte erzählte: ein unglücklicher Vater von drei Töchtern, die am Hungertuch nagten; und der Vorsitzende hatte sich lange bitten lassen: Zum Teufel! Man ließ das Malen eben bleiben, wenn man Hunger litt! Man nutzte seine drei Töchter eben nicht aus! Er hob jedoch die Hand, er als einziger mit Fagerolles. Es kam Einspruch, man wurde böse, sogar zwei andere Mitglieder des Institut de France empörten sich; da flüsterte ihnen Fagerolles ganz leise zu:
»Das ist wegen Mazel, er hat mich angefleht, dafür zu stimmen … Ein Verwandter, glaube ich. Kurzum, ihm liegt daran.«
Und die beiden Akademiemitglieder hoben prompt die Hand, und eine große Mehrheit kam zustande.
Aber
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