Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
der anhaltenden Nachfrage, die die Notierung seiner Gemälde weiter anziehen ließ, größer werdenden Schulden. Übrigens wußte er sehr wohl, daß er bei ihr der unnütze Luxus war, die Zerstreuung einer die Malerei liebenden Frau, die sie sich hinter dem Rücken der wie Ehemänner für alles aufkommenden seriösen Herren leistete. Sie scherzte darüber, zwischen ihnen schwebte gleichsam der Leichengeruch ihrer Verderbtheit, ein Reiz der Gemeinheit, der ihn selber zum Lachen und in Wallung brachte, über diese Rolle des Herzensliebhabers, der vergaß, daß auch er zahlte.
    Claude hatte seinen Hut wieder aufgesetzt.
    Fagerolles trat von einem Fuß auf den anderen und warf unruhige Blicke zum Haus gegenüber.
    »Ich schicke dich nicht fort, aber du siehst ja, sie wartet auf mich … Also, das ist abgemacht, deine Sache wird erledigt, es sei denn, ich werde nicht gewählt … Komm doch am Abend der Auszählung ins Palais de l’Industrie. Oh, dort ist ein Gedränge, ein Lärm! Und im übrigen weißt du dann sofort, ob du auf mich rechnen darfst.«
    Zunächst schwor Claude, er werde sich deswegen keine Umstände machen. Es war schwer für ihn, sich so von Fagerolles begönnern zu lassen; und er hatte trotzdem im Grunde nur eine Angst, nämlich die, daß der schreckliche Kerl aus Feigheit angesichts des Mißerfolgs sein Versprechen nicht halten werde. Am Tage der Abstimmung konnte Claude es dann nicht auf einem Fleck aushalten, er strich auf den Champs Elysées herum und gab vor sich selber als Vorwand an, er wolle einen langen Spaziergang machen. Das konnte er ebensogut dort tun wie woanders, denn in der uneingestandenen Erwartung, die er auf den Salon setzte, hatte er jede Arbeit eingestellt, und er begann wieder mit seinen endlosen Rennereien durch Paris. Er konnte nicht mit abstimmen, weil er dazu mindestens einmal hätte angenommen worden sein müssen. Aber mehrere Male ging er vor dem Palais de l’Industrie vorbei, ihn interessierte das Leben und Treiben hier auf dem Bürgersteig mit seiner Aufgeregtheit, seinem Vorbeizug wählender Künstler, um die sich Männer in dreckigen Arbeitskitteln rissen, die die Listen ausschrien, über dreißig Listen, Listen aller Sippschaften, aller Meinungen, die Liste des Ateliers der Ecole des BeauxArts, die liberale Liste, die der Unentwegten, die der Versöhnlichen, die der Jungen, die der Damen. Man hätte meinen können, es sei kurz nach einem Aufruhr, der Wahnsinn bei der Abstimmung vor der Tür des Sitzungsraumes einer Sektion99.
    Schon am Nachmittag um vier Uhr, als die Abstimmung beendet war, konnte Claude der Neugier, hinaufzugehen und nachzusehen, nicht mehr widerstehen. Nun war die Treppe frei, es konnte hinein, wer wollte. Oben geriet er in den riesigen Saal der Jury, dessen Fenster zu den ChampsElysées hinausgehen. Ein zwölf Meter langer Tisch nahm die Mitte ein, während in dem monumentalen Kamin an dem einen Ende ganze Bäume brannten. Und es waren da vier bis fünfhundert Wähler, die, untermischt mit Freunden, bloßen Neugierigen, zur Auszählung geblieben waren, laut redeten, lachten, unter der hohen Decke ein Gewittergrollen entfesselten. Schon hatten sich rings um den Tisch die Wahlbüros niedergelassen und arbeiteten, im ganzen etwa fünfzehn, von denen sich jedes aus einem Vorsitzenden und zwei Stimmenzählern zusammensetzte. Aber es blieben noch drei oder vier Büros zu bilden, und niemand erbot sich mehr, alle entflohen aus Furcht vor der erdrückenden Schufterei, die eifrige Leute für einen Teil der Nacht hier festnagelte.
    Fagerolles, der seit dem Morgen im Kampfgetümmel stand, erregte sich, schrie, um den Lärm zu übertönen:
    »Na, meine Herren, es fehlt uns ein Mann! – Na, ein Mann, der guten Willens ist, hierher!« Und da er in diesem Augenblick Claude bemerkte, stürzte er herzu und führte ihn gewaltsam hin. »Ach du, du wirst mir die Freude machen und dich auf diesen Platz setzen und uns helfen! Das ist für die gute Sache, zum Teufel!«
    Auf einmal sah sich Claude als Vorsitzender eines Wahlbüros, er versah sein Amt mit der Ernsthaftigkeit schüchterner Leute, war zutiefst aufgeregt und sah aus, als glaube er, von seiner Gewissenhaftigkeit bei dieser Arbeit hänge es ab, ob sein Gemälde angenommen werde. Er rief laut die Namen auf den Stimmzetteln, die man ihm in kleinen, gleichmäßigen Packen zureichte, während seine beiden Stimmenzähler diese Namen aufschrieben. Und das im schlimmsten Spektakel, im peitschenden Hagelgeprassel, mit

Weitere Kostenlose Bücher