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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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nun brach ein Sturm von Gelächter, geistreichen Bemerkungen, Entrüstungsschreien los: soeben hatte man »Das tote Kind« auf die Staffelei gestellt. Schickte man ihnen nun das Leichenschauhaus? Und die Jungen ulkten über den dicken Kopf: ein Affe, der verreckt war, weil er offensichtlich einen Kürbis verschluckt hatte; und die Alten wichen entgeistert zurück.
    Fagerolles fühlte sofort, daß die Partie verloren war. Zunächst trachtete er in seiner geschickten Art, den anderen die Zustimmung durch Scherz abzulisten:
    »Aber, aber, meine Herren, ein alter Kämpe …«
    Wütende Worte unterbrachen ihn. Ah, nein, den da nicht! Man kannte ihn, den alten Kämpen! Ein Verrückter, der seit fünfzehn Jahren auf seiner Dickköpfigkeit beharrte, ein eingebildeter Kerl, der sich als Genie aufspielte, der davon geredet hatte, den Salon einzureißen, ohne daß er jemals ein Bild einreichte, das auch nur halbwegs möglich war! Der ganze Haß auf die regellose Ursprünglichkeit, auf die Konkurrenz, vor der man Angst bekommen hat, auf die unbesiegliche Kraft, die selbst geschlagen noch siegt, grollte im Lärm der Stimmen. Nein, nein, raus damit!
    Da beging Fagerolles den Fehler, sich aufzuregen, weil ihn die Wut befiel, als auch er feststellen mußte, über wie wenig ernsthaften Einfluß er verfügte.
    »Sie sind ungerecht, seien Sie doch wenigstens gerecht!«
    Da war auf einmal der Trubel auf dem Höhepunkt. Man umringte ihn, man stieß ihn, drohende Arme fuchtelten, Sätze wurden abgeschossen wie Flintenkugeln.
    »Mein Herr, Sie sind eine Schande für die Jury.«
    »Wenn Sie das hier in Schutz nehmen, dann doch nur, damit Ihr Name in die Zeitungen kommt.«
    »Sie verstehen nichts davon.«
    Und Fagerolles, dieser Windhund, geriet außer sich, verlor sogar seine übliche Geschmeidigkeit und antwortete grob:
    »Ich verstehe ebensoviel davon wie Sie.«
    »Schweig doch!« sagte ein Kollege, ein sehr wütender kleiner blonder Maler. »Das ist doch nicht ernstlich deine Absicht, uns einen solchen Schinken schlucken zu lassen!«
    »Ja, ja, ein richtiger Schinken!« Alle wiederholten dieses Wort voller Überzeugung, dieses Wort, mit dem sie gewöhnlich die letzten Pinseleien, die kalte und abgeschmackte bleiche Malerei der Farbenkleckser bedachten.
    »Gut«, sagte Fagerolles schließlich mit zusammengepreßten Zähnen. »Ich bitte um Abstimmung.«
    Seit der Streit heftiger wurde, schwenkte Mazel, der hochrot im Gesicht war, weil er sah, daß man seine Autorität nicht anerkannte, unablässig seine Klingel.
    »Meine Herren, gemach, gemach, meine Herren … Das ist doch unglaublich, man kann ja sein eigenes Wort nicht verstehen … Meine Herren, ich bitte Sie …«
    Schließlich erreichte er, daß etwas Ruhe eintrat. Im Grunde war er kein schlechter Mensch. Warum sollte er nicht dieses kleine Bild annehmen, obwohl er es abscheulich fand? Es wurden ja so viele andere angenommen!
    »Nun, nun, meine Herren, es wird um Abstimmung gebeten.«
    Er selber schickte sich vielleicht gerade an, die Hand zu heben, da platzte Bongrand, der bis dahin stumm gewesen und dem das Blut in die Wangen gestiegen war, in bislang zurückgehaltener Wut zur Unzeit los und stieß folgenden Aufschrei seines empörten Gewissens aus:
    »Aber Himmelherrgott, es sind doch keine vier unter uns, die ein solches Stück hinhauen könnten!«
    Murren lief um, der Keulenschlag war so derb, daß niemand antwortete.
    »Meine Herren, es wird um Abstimmung gebeten«, sagte Mazel, der ganz blaß geworden war, mit trockener Stimme.
    Und sein Ton genügte, das war der schwelende Haß, die wilden Rivalitäten unter der Biederkeit der Händedrücke. Selten kam es zu Streitereien. Fast immer vertrug man sich. Aber auf dem Grunde der zerstörten Eitelkeiten gab es immerfort blutende Wunden, Zweikämpfe bis aufs Messer, bei denen man lächelnd mit dem Tode rang.
    Nur Bongrand und Fagerolles hoben die Hand, und »Das tote Kind«, das nun abgelehnt war, hatte nur noch bei der allgemeinen Durchsicht eine Aussicht, angenommen zu werden.
    Diese allgemeine Durchsicht war eine furchtbare Fron. Mochte sich die Jury nach zwanzig Tagen Sitzungen auch zwei Tage Ruhe gönnen, um es den Aufsehern zu ermöglichen, die Arbeit vorzubereiten, trotzdem überlief sie ein Schauder an jenem Nachmittag, an dem sie in diesem Wust von dreitausend abgelehnten Bildern standen, aus denen sie eine Anzahl herausfischen mußte, um die vorgeschriebene Zahl von zweitausendfünfhundert angenommenen Bildern

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